Das zitternde Herz
haben ihr gesagt, daß wir ihre Hilfe nicht mehr benötigen.
Weiß der Himmel, was sie daraus macht. Hoffen wir, daß sie unser Verhalten auf unsere Traurigkeit wegen Banny zurückführt. Die Frage ist, was jetzt?«
Kate schüttelte den Kopf und hielt ihre Augen auf die Straße gerichtet.
8
Anderntags tauchte jemand auf, der hinsichtlich des zweiten Aktes eine Idee hatte.
Reed hatte vom Büro aus angerufen und gesagt, daß er jemanden auf einen Drink mit nach Hause bringe, jemanden, der etwas zu der Entführung zu sagen habe. (Kate bemerkte, daß er sich immer auf die Entführung bezog, nicht meine Entführung, im Bewußtsein, daß es ebenso ihre wie seine war.) Dieser Jemand heiße Emma Wentworth, Näheres hebe er sich für später auf.
Emma Wentworth gehörte zu jenen Frauen, die Kate auf Anhieb mochte. Sie hatte schon oft versucht, sich solche spontane Sympathie genauer zu erklären, war jedoch immer kläglich gescheitert. Oft hatte sie Frauen auch erst mit der Zeit gemocht, ja sogar sehr gern gehabt, die diese Art ersten Eindruck keineswegs erweckt hatten. Erste Eindrücke waren bekanntermaßen irreführend. Nichtsdestotrotz freunde-te sie sich mit Emma an, die kräftig war, nicht dick, aber kräftig, und in ihrer Art und Gestalt beeindruckend.
Auch fühlte sich Emma in ihrem Körper wohl – ein wichtiger Aspekt –, und sie trug für ihre Erscheinung Sorge, als wisse sie genau, wie sie sich darüber darstellen wollte. Sie trug ein an Oberkörper und Taille enganliegendes Kleid mit weitem Rock, ein Kleid, das besagte: Ich trage ein Kleid, aber kein Businessdress. Für eine große Frau habe ich eine annehmbare Figur, aber ich habe keine Lust, meine Beine zur Schau zu stellen oder mich darum zu kümmern, wo sie bleiben, wenn ich sitze. Ich bin intelligent, kompetent, zuverlässig und witzig… Konnte ein erster Eindruck all das vermitteln? Na ja, natürlich, schließlich hatte Reed sie mit nach Hause gebracht, was schon etwas hieß, und hatte sie als Professorin vorgestellt, die in diesem Semester an Reeds Juristischem Institut unterrichtete.
Emma trank gern einen Scotch, was Kate in ihrer instinktiven Sympathie noch bestätigte, und begann zu sprechen. »Reed hat mir von seinem Abenteuer erzählt – um genau zu sein, hat er, in der Hoffnung, damit den Anstoß für ein paar Antworten zu geben, jedem davon erzählt, der es wiederum jedem weitererzählte. Ich sagte, Reeds Abenteuer, aber tatsächlich war es natürlich Ihr Abenteuer, was ich für einen entscheidenden Punkt halte. Einer meiner Studenten, der die Geschichte gehört hatte – etwas ausgeschmückt, wie ich später erkannte, als Reed mir die Geschichte noch einmal erzählte –, hat mir davon berichtet. Ich habe bei Reed vorbeigeschaut, weil ich dachte, daß ich Ihnen vielleicht helfen könnte, nicht mit irgend etwas Bestimmtem, aber mit dem, was ich durch die Beobachtung dieser rechtsextremen Gruppen gelernt habe, nämlich wie sie vorgehen und wie man sie voneinander unterscheiden kann. Reed unterbrach mich gleich beim Beginn meiner Rede und schlug vor, daß ich meine Hypothesen auch Ihnen erzählen solle.«
»Ich habe Emma die ganze Geschichte erzählt, inklusive der schmutzigen Einzelheiten«, sagte Reed. »Ich fand, wir können etwas Expertise im Hinblick auf die, die wir aufscheuchen wollen, gut gebrauchen, und da kann sie auch die ganze Geschichte kennen.«
Kate nickte.
»Ich habe mich mit rechtsextremen Gruppen beschäftigt«, sagte Emma, »mit ihren Motiven und Unterschieden. Einer der Aspekte, die wir Linken oft übersehen, ist, daß diese Rechten sich immer einig sind, wenn es um jedwede moderne Form von Kunst geht – sei es Literatur, Unterhaltung oder sogar Musik –, sie sind sich alle einig, daß deren Einfluß verhängnisvoll, wenn nicht gar teuflisch ist. Laut Wendy Steiner« – sie öffnete ihr Notizbuch – »sind für solche Leute Komplexität und Ambiguität lediglich Mystifikationen, und die zeitgenössische Kunst trägt zur sozialen Unruhe bei. Die Probleme dieser Welt sollten durch die Stärkung überkommener Hierarchien und Strukturen gelöst werden, wobei die Kunst – und natürlich die Literatur – ›ihren sozialen Auftrag erfüllt, indem sie diese Strukturen stützt und rechtfertigt‹.(Wendy Steiner, The Scandal of Pleasure: Art in an Age of Fundamentalism, University of Chicago Press, 1995.) Ich trage diese Sätze mit mir herum, um sie zu zitieren, weil sie die Grundmaximen der Rechtsextremen exakt auf den
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