Das zweite Gesicht
Sichtschir m , als wollte s i e t r otz allem sichergehen, d a ss nie m and dort stand und sie belauschte. » W issen Sie«, begann sie, »ich habe Ihre Schwester ge m ocht. Schauen Sie m i ch nicht so an, es stim m t . Jula war an f an g s ein nettes Mädchen, zielstrebig auf ihre Art, auch wenn sie sich da b ei m anch m al zie m lich unbeholfen angestellt hat.«
»Sie wollen m i r tatsächlich weis m achen, Sie und Jula seien Freundinnen gewesen ? «
Elohim schüttelte den Kopf. »Ich habe keine Freundinnen in d i esem Geschäft, und ich wollte nie welche haben. Das war eine Entscheidung, die ich sehr früh getroffen habe. Ich bin ganz gut da m it gefahren. Glauben Sie vielleicht, Sie und Ursi van der Heden wären Freundinnen? Machen S i e sich nichts vor. Ursi würde Sie bei der nächstbesten Gelegenheit hintergehen, wenn sie sich davon einen Vorteil verspräche – und, um ehrlich zu sein, ich denke, dass sie das längst getan hat. Sie ist so, auch wenn sie es v i elleicht selbst gar nicht weiß.«
»Sie wissen, wie das klingt, oder ? «
Elohim lachte b itter. »O ja, das weiß ich. Mir ist klar, dass ich Ihre Geduld auf die Probe stelle. Und dass ich Gefahr laufe, dass Sie einfach aufspringen und gehen, wenn es Ihnen zu bunt wird.« Sie m achte eine Pause, als die Kellnerin die Getränke brachte. Sie nahm einen Schluck aus dem W hiskeyglas, s e ufzte leise u n d stellte es ab. »Sie werden m i ch für verrückt halten. Aber was kann ich schon verlieren? Ich habe m einen Ruf als Exzent r ike r in dera r t ge pf legt, dass eine Verrücktheit m ehr oder weniger … na ja. Es s p ielt keine Rolle m ehr.« Sie trank noch einen Schluck. » W ussten Sie, dass es hier m ehr Whiskeysorten gibt als in den m eisten der so genannten Männerlokale ? «
»Sie wollten etwas über Jula erzählen.«
»Sie war ein nettes Kind, da m als. Dann kam der Erfolg, und sie veränderte sich.«
»Tun wir das nicht alle?«
»Es war m ehr als das … nicht das, was alle anderen für Arroganz halten, wir selbst aber f ür Selbstschutz. Das kennen Sie, nicht wahr? Dagegen ist keiner von uns gefeit. Auch Jula wusste sich recht sch n ell nicht m ehr anders zu helfen, um ihre, sagen w i r, Interessen zu verteidigen. Aber das ist es n i cht, was i c h m eine. Jula wurde ein Star m it alle m , was dazu gehört, aber die eigentliche Wandlung, von der ich spreche, kam erst später. W i e gesagt, wir waren keine Freundinnen … Aber Sie kennen das ja, m a n hört Dinge, und m an sieht bestim m t e Sachen, und ab und an tauc h t e t was in d e r Pre s se auf, das einen stutzig m acht.«
» W orauf wollen Sie hinaus ? «
»Jula wurde eine unerträgliche Egoistin. Und das m eine ich nicht einfach als Schim p fwort. Es war schlimmer. Sie kannte nur noch sich selbst. S i e st ritt sich m it allen um alles. Sie schikanierte Maskenbildnerinnen und die Mädchen aus der Garderobe, sie erlaubte sich die schlim m sten Szenen in a ll e r Ö ff entlichkeit. Sie war … wie soll ich sa g en? Une r tr ä glich r e icht nicht aus. E s war f a s t , als wäre sie kein Mensch m ehr. Verstehen Sie, was ich sagen will ? «
»Nein, ich glaube nicht.« Aber dabei dachte sie: Es ist der gleiche Punkt, auf den ich selbst zusteuere. Ich bin noch nicht so weit wie Jula, noch lasse ich das alles nicht an anderen aus, aber es w i rd nicht mehr lange dauern.
Nicht m ehr lange.
»Sie ging über Leichen. Sie schikanierte jene, die sich nicht wehren konnten, und sie sorgte dafür, dass zig Leute gefeuert oder gar nicht erst einge s t ellt wurde n , weil sie sich von ihnen bedroht fühlte. Bedroht! Denn m it all dem ging auch eine ungesunde Portion Verfolgungswahn einher. S i e fühlte sich beo b achtet, sah überall Augen und Ohren und …«
» W issen Sie, Elohi m , d a s m eiste von de m , was Sie m i r da erzä h len, trifft auch auf Sie zu. Sie haben m i r eine Szene im Atelier ge m acht. Sie haben Angst d a vor, dass je m and m i r hierh e r ge f olgt i s t. Und Sie haben diesen Platz in der hintersten Ecke des Lokals ausgesucht.«
Elohim schenkte ihr ein verbi s senes Lächeln und nickte.
»Aber es gibt einen Unterschied.«
»So ? «
»Ich tue d as aus freien Stücken. Jula hatte keine andere Wahl.«
»Ich verstehe nicht, wie Sie das m einen.«
»Natürlich nicht. Noch nic h t. Aber hören Sie zu. In gewisser Weise steckt Masken d a hinter. Und vielleicht ein paar von den Leuten, deret w egen Jula nach Berlin gegangen ist.«
Chiara e r i n nerte s i
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