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Das zweite Gesicht

Titel: Das zweite Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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er. Immerhin i s t er d as beste Beispiel für den Erfolg seiner Doktrin. E i n Autor von Sex- und Schauergeschichten, einer, der sein G eld m it d e m Erfinden von Lügen verdient – er hat dieses hübsche Paket aus Thesen zu s ammengestellt, z u sam m engeklaubt aus den Philosophien anderer, und er hat daraus so etwas wie einen Kult gezim m ert. Eine orden t liche Karriere, könnte m an sagen: Vom Schundautor zum Guru. Die Verkörperung seiner eigenen Lehre. Friedrich Nietzsche hat das den Über m enschen genannt.«
    »Steiner hat eine Biographie über Nietzsc h e geschriebe n , ich hab sie in Maskens Regal gesehen.«
    »Sowohl Steiner als auch Masken haben Nietzsches Werk geplündert. Beide berufen sich i m m er w i eder auf ihn. Nietzsche sah im absoluten E gois m us den W eg zu einem höher wertigen Typus Mensch. N i cht m ehr Ebenbild G ottes, hat e r geschrieben, nicht m ehr guter Bürger, nicht m ehr Herdentier oder Christ – nur noch er selbst. Der Über m ensch.« Sie stockte kurz. »Das ist es, wo Männer wie Masken hinwollen. Sie stilisieren sich sel b st zum Übe r menschen, zum höchsten, größten, wichtigsten  Wesen auf Erden. Jula w ar genauso.«
    Chiara sah Elohim durchdringend an. »Haben Sie m i ch hierher bestellt, weil Sie g l auben, ich könnte den gleichen Weg gehen?«
    Elohi m s Blick sprach B ände.
    »Aber Masken hat m i r gegenüber die Theosophie m i t keinem Wort erwähnt«, widersprach Chiara. » W ir haben kein einziges Mal über irgendwelche Thesen oder Philosophien oder auch nur über Egois m us gesprochen.«
    »Er hat vielleicht nicht d i ese Begriffe benutzt, aber glauben S i e m i r, Sie haben darüber gesprochen. Darüber, wie m an zum größten Fil m star aller Zeiten wir d . W i e m an die Konkurrenz aus dem Feld drängt. W i e man aus dem Nichts kom m t und plötzlich ganz oben ist.«
    »Aber das war nur Gerede beim Abendessen, nicht m ehr!«
    »So fängt es an, m it einem bisschen Gerede. Mit einer Seance, vielleicht. Er hat Sie d o ch zu einer Seance überredet, nicht wahr ? «
    War das Masken gewesen? Oder Her m ann? Sie konnte sich nicht m ehr genau er i nnern. Die zweite Seance war Jakobs Idee gewesen – Jakob, m it d e m Masken sie bekannt ge m acht hatte! W ar Jakob wo m öglich doch nur einer von Maskens Handlangern gewesen?
    Sie holte tief Luft, dann erzählte sie Elohim alles, was während der Seancen geschehen war. Sie v e rtra u t e ihr. Aber hatte sie nicht auch Jakob vertraut?
    Nachdem s i e geendet h atte, sagte s i e: »Zwei S eancen – aber bei keiner von beiden hat m an m i r dieses Zeug aufgedrängt, von dem S i e gesprochen haben. Es sind keine indisc h en Heiligen er schienen, u nd nie m and hat m i r gesagt, was ich tun soll.«
    Elohim drehte i h r leeres Glas z w ischen d en Fingern.
    »Eigenartig. Ich hätte schwören können …« Abrupt blickte sie auf. »Es waren Warnungen, nicht wahr? Je m and hat Sie während dieser Beschwörungen vor Jula gewarnt.«
    Chiara nickte.
    »Dann war dieser Je m and stä r ker. Masken m ag geplant haben, Sie auf die eine oder andere Weise auf s eine Seite zu ziehen, so unauffällig, dass Sie es gar nicht m erken. Aber etwas ist dazwischengekom m en – od e r besser: je m and. Irgendwer hat den Kontakt zu ihnen gesucht und da m it alles durcheinandergebracht.«
    »Ein Geist?« Chiara wollte sarkastisch klingen, doch ihre Stim m e klang nur flach und tonlos. W arum sträubte sie sich noch im m er gegen die W ahrheit?
    »Ein Geist, vielleic h t «, sagte Elohim. »Aber das spielt jet z t k e ine Rolle. Sie h aben gesagt, dieses Mediu m , das kleine Mädchen, lebt in einem W aisenhaus im Scheunenviertel ? «
    »Ja.«
    » W ie sind Sie auf sie gestoßen ? «
    »Jakob Tiberius hat m i ch hingeführt. Er war eine W eile m ein Schauspiellehrer.«
    Elohim betrachtete sie nur prü f end, als hätte sie plötzlich den Verdacht, Chiara wolle ihr eine faustdicke Lüge auftischen.
    »Tiberius, sagen Sie ? «, fragte sie nach ein e r W e i l e. Chiara nickte und runzelte die S tirn. »Ja, waru m ? «
    »Das ist unmöglich. Tiberius ist … nicht m ehr in der  Stadt.«
    »Ich weiß. Er ist verschwunden. Aber erst nach der  Seance.«

Sie hatte den Unfall nicht erwähnt und schreckte auch jetzt noch davor zurück. Die Narbe an ihrem B a uch schien zu brennen; pure Einbildung, aber es war wie eine Er m ahnung, darüber zu schweigen.
    »Jakob Tiberius ? «, fragte Elohim noch ein m al. »Und Sie sind ganz sicher ? «
    » W as soll

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