Das zweite Gesicht
gegenübersaß. Die aufgedonnerte Puppe m it Pudel war ver m utlich e benso e i ne Rolle wie all jene, d i e si e vor d e r Ka m era spi e lte. W o möglich s chloss das die Szene, die sie Chiara im Atelier gemacht hatte, m it ein – was es auch nicht leichter m achte, sie ihr zu vergeben.
»Es ist Ihnen doch niemand gefolgt, oder ? «
»Und Ihnen ? «
»Sie m einen Luzy? Meine Sek r etärin? Nein, die gibt auf Bonifazius acht.« Elohim lächelte ein wenig verlegen.
»Mein Pudel.«
Chiara nickte. »Ich bin allein hier, wenn Sie das beruhigt. E hrlich gesagt, fände ich es auch ein wenig albern, irgendwen m it hochgeschlagenem Kragen an einem der anderen Tische zu platzieren.«
Elohim schmunzelte. »Je m and, der aufpasst, dass wir uns nicht an die Kehlen gehen, das m einen Sie doch, nicht wahr ? «
»Haben Sie das vor ? «
»Natürlich nicht. Aber lassen Sie uns vorne beginnen. Erst ein m al möchte ich m i ch bei Ihnen entschuldigen. Ich war nicht besonders nett zu Ihnen in Babelsberg.«
Chiara z u c k te die Ach s e l n. »Ihre Entscheidung, nicht m eine.«
»Machen Sie’s m i r nicht so schwer, Chiara … Ich darf doch Chiara sagen, oder?«
Chiara nickte.
»Ich erkläre Ihnen, warum i c h m i ch so verhalten habe, und dann werden Sie alles verstehen. Hoffentlich . «
Erneut hob Chiara die Schultern.
»Also – W af f enstillstand ? «, fragte Elohi m .
»Von m i r aus.«
»Und Sie sind sicher, dass Ihnen nie m and gefolgt is t ? Ich m eine, ohne dass Sie darum gebeten haben.«
»Sie denken, je m and beschattet m i ch ? «
»Masken und seine Leute waren nie m als besonders wählerisch in ihren Method e n. Und sie lassen einen nic h t los. Denken Sie nur an den ar m en Grapow.«
Chiara bet r acht e te El o him m it zusam m engerückten Augenbrau e n. Aber m it ihrer F e in d selig k eit m askie r t e s i e nur ihre Verwirrung – und ein düsteres Gefühl von Bestätigung.
» W ollen Sie andeuten, dass …«
Elohim unt e rbrach sie. »Ich werde viel m ehr tun, als nur anzudeuten. Aber alles der Reihe nach.«
» W en m einen Sie m it Maskens Leuten?«
»Seine so genannten Freunde, wenigstens nennt er sie in der Öffentlichkeit so. In W ahrheit sind sie V erbündete. Oder besser noch, Mitwisser.«
Chiara rüc k te sich un b ehaglich auf dem Stuhl zurec h t. Sie verspürte das Bedürfnis, sich eine Zigarette anzustecken, obwohl sie das z u letzt als Kind getan hatte, hei m lich und ge m einsam m it Jula, die weit m ehr Erfahrung da m it gehabt hatte.
Elohim wollte fortfahre n , wurde aber von der K ellnerin unterbrochen, die an den Tisch trat, um ihre Bestellung aufzuneh m e n. Chiara verlang t e ei n en Kaffee – schwarz, ohne alles –, während Elohim einen doppelten W hiskey orderte. Chiaras Blick folgte dem Mädchen, als es sich vom Tisch entfernte und nach wenigen Schritten hinter einem der vielen Sichtschir m e verschwand, die die Tische im hinteren Teil des Dorian Gray voneinander trennten. W eiter v o r n e waren d i e Plätze nach allen Seiten hin offen, m it einer guten Aussicht auf die Tanzfläche, a u f der sich Frauen paarweise zu Foxtrott, Tango und W alzer bewegten. Von der Decke hingen wehende Stoffschleier in verschiedenen Farbtönen und strichen m it ihren Spitzen sanft über die Tanzenden hinweg. Die L a m pen brannten gedä m p ft hinter chinesischen Schir m en, von hier hinten konnte m an – selbst wenn m an um den Sichtschutz heru m t rat – kaum bis zum Eingang sehen, so schum m rig war die Beleuchtung. Das Lokal war gut besucht, die m eisten Gäste waren Frauen und Mädchen der Mittelschicht, kleine Angestellte, Bea m tinnen und Sekretärinnen, ver m u t ete Chiara. Keine gehobene Gesellschaft, aber auch kei n e Arbeiterinnen. Sie wunderte sich, dass Elohim diesen Ort a u sgewählt h atte: Die m eisten hier waren typische Kinobesucherinnen, Frauen m it ein wenig eigenem Geld in der Tasche, genug, um m it Hil f e eines Fil m s in andere W elten zu e n t f liehen. Sie mussten El o him auf Anhieb e rken n en, Chia r a v er m utlich ebenfalls. Trotzdem hatte noch n i e m and sie an ge sprochen oder auch nur einen Blick in ihre Richtung ge w orfen, der über die übliche Begutachtung von Neuanköm m lingen hinausging.
Sie hatte erwartet, sich un w ohl zu fühlen, doch das war nicht der Fall. W o sonst in Berlin ko n nten zwei Pro m inente ungestört beieinander sitzen, ohne befürchten zu m üssen, belä s tigt zu werde n ?
Elohim warf einen Blick hinüber zum
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