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Das zweite Gesicht

Titel: Das zweite Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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u send ascheschwarze Seiten im Wind landeinwärts trieben.
     
     
    *
     
     
    »Ich gehe zurück«, sagte sie am nächsten Morgen zu  Nette.
    Das Mädchen nickte nur, als hätte es schon lange auf diesen Augenblick gewartet.
    Chiara nahm ihre Hand. »Ich m u s s sie retten … m i ch retten.« Sie ahnte, wie das kl a ng, aber Nette nickte erneut.
    »Sie i s t ich, weißt d u ? Sie i s t d a s Origin a l . Und Masken hält s i e in diesem Restaurant, diesem Bordell, gefangen. W enn ich m i r selbst hel f en will, dann m uss ich i h r helfen.«
    »Pass auf d i ch auf«, sa gte Nette, trat ans Fe n ster und blickte sch w eigend über die stür m i sche See.
      
      
      
     
    Fünfundzwanzig
     
      Es war keine Rettungsaktion wie im Fi l m , und sie scheiterte am kläglichsten aller denkbaren Gründe – am Pförtner.
    Er ließ sie nicht ein. P unkt. Keine Diskussion. Nicht ohne das Passwort.
    Masken hatte die Losu n g gekannt. Ver m utlich wurde sie wöchentlich geände r t , vielleic h t a uch täglich. Es spielte keine Rolle, dass der P f örtner Chiara erkannte – ohne das Passwort kein Einlass.
    Trotz des blondierten Haa r s hatte sie sich Mühe gegeben, w i eder wie sie s e lb s t auszusehen, in der Hoffnung, dass m an sie nicht abweisen würde. Doch der Mann dachte gar nicht daran, sie ins Haus zu lassen, und so stand sie im Regen auf d e m dunklen Hof und blickte an der unscheinbaren Fassade des Hinterhauses hinauf, in dessen erstem Stock sich das Restaurant und das Bordell befanden. Zu beiden Seiten parkten Luxuskarossen, einige m it blitzenden Zierleisten, eine gar m it lederbezogener Motorhaube. In einigen glaubte Chiara Umrisse v o n Männern zu erkennen, Chauff e ure, die auf ihre Herrschaften warteten, bis diese sich trunken und berauscht nach einem Abend der Exzesse nach Hause bringen ließen.
    Einer zün d ete sich eine Zigarette an; für ein paar Sekunden beleuchtete die Flam m e seine Züge. Chiara sah, dass er sie beobachtete. Das Streichholz erlosch, und Dunkelheit breitete sich wie d er über die Züge des Mannes. Unsicher schaute sie über die S chulter. Im Dunkeln mochten überall Augen auf sie gerichtet sein. Sie fühlte sich nackt und verloren und auch ein wenig albern, weil  der Pförtner so tat, als w äre sie gar nicht da.
    Der Revolver steckte in ihrer Tasche, aber es hatte keinen Sin n , sich den Eint r itt d amit zu e rzwingen. W i e weit wäre sie gekom m en, ehe die Sicherheitsle u te des Etablisse m ents sie abge f angen hätten? Sie hatte die W a ffe einge s t eckt, um sich zu vertei d i gen – aber sie war nicht verzweifelt genug, wie eine Irre da m it heru m z uhantieren und sich lächerlich zu machen.
    Sie dre h te s i ch um und wollte ge h en, als der Pförtner sagte:
    »Auf Wiedersehen, Frau Mondschein. Und viel Erfolg heute Abend.«
    Im ersten Mo m ent hielt s i e seine Worte für Hohn, aber als sie zur ü ckschaute war sein Lächeln aufric h ti g .
    »Und nichts für ungut«, sagte er.
    »Erfolg ? «, f ragte sie. »Wobei ? «
    Seine freu n dliche Mie n e gefror. » G ute Nacht«, sagte er f ö r m lich.
    Sie trat erneut vor ihn. »Was haben Sie da m it ge m eint ? «
    »Ich habe Sie wo m öglich verwechselt. Verzeihen Sie.« Sie schenkte ihm ein veräc h tliches Kopfschütteln, dann
    ließ sie ihn stehen. Erhobenen Hauptes ging sie durch den
    Korridor der abgestellten Fah r zeuge und Gesichter, verließ den Hinterhof durch d e n unbeleuchteten Tortunnel und trat hinaus auf die Straße.
    Eine Lit f as s säule sch r ie ihr die Antwort auf i hr e Frage entgegen.
    Grube und Pendel, stand auf einem Plakat, ganz in Schwarz und Rot gehalten. D a runter eine Zeichnung, auf der sie sich selbst erka n nte, daneben ein zweites Gesicht, ebenso groß und nicht wenig e r bekannt. Und schließlich als Bestätigung zwei N a m en: Chiara Mondschein und  Elohim von Fürstenberg.
    Ein Filmku n stwerk von Doktor Felix Masken.
    Sie stand da und starrte d a s Plakat an, ihr eigenes Gesicht, daneben das von Elohi m . Ein breiter Papier s t reifen m it ei n er Aufschrift klebte darüber: Weltpremiere im Zoopalast! Heute!
    Chiara stand noch eine Minute länger reglos auf d e m Bürgersteig. Das war n i cht i h r Film. Sie hatte ihn nicht gedreht.
     
     
    *
     
     
    Zehn Minuten später sprang sie aus dem Fond eines Wagens, auf einen Gehweg in der Nähe des Zoopalasts. Menschenmassen drängten sich vor d e m Geb ä ude. Eine zehn Meter hohe Kopie des Plakats schmückte die Fassade,

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