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Das zweite Gesicht

Titel: Das zweite Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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weiteten. »Großer Gott, Sie …« Sie brach ab, als Chiara m it d e m R e volver in ihre Richtung deutete.
    »Seien Sie s till.« Sie m einte es ern s t, als sie hi n zufügte:
    »Bitte.«
    Die andere stand i mm er noch unbeweglich da, jetzt zwischen Chiara und der Frau in der Tür, und schaute verwundert zwischen den beiden hin und her. Ihr Miene  war wie blank gewischt, als brauche sie noch ein wenig länger, um zu entscheiden, welches Gefühl für die Situation das passende wäre.
    »Die hatten Recht, in der Zeitung«, sagte die Frau in der  Tür leise. » S ie sehen aus wie sie.«
    »Ich will I h nen nichts tun.« Chiara fühlte sich plötzlich schrecklich unbeholfen. Die W a ffe gab ihr keinen Halt, sie verunsicherte sie. »Ihnen beiden nicht.«
    »Machen Sie keinen Unsinn m it diesem D i ng.« Die Stim m e der Frau schwankte. Ihre Augen hingen an Chiara, als hätte sie eine Erscheinung vor sich, keinen Menschen aus Fleisch und Blut. »Ich wusste nicht … ich meine, sind Sie ih r e … ihre Zwillin g sschwest er ?«
    »So was in der Art, ja . « Chiara überle g te, was sie tun sollte. Sie konnte sich nic h t einfach u m drehen und über die Terrasse verschwinden. Es f i el ihr schwer, einen klaren Gedanken zu fassen. »Wer sind Sie ? «
    »Frau Mondscheins Lehrerin.«
    »Ihre Schauspiellehrerin ? «
    Die Frau h ob m i ssbilligend eine Augenbrau e . »Ihre Sprachle h rerin. Sie redet nicht m ehr – vielleicht ist Ihnen das aufgefallen.«
    » W ie heißen Sie ? «
    »Nicolai. Fr au Nicolai.«
    »Und sie spricht überhaupt nicht ? «
    »Nein. Aber ich bin zuversi c htlich, dass wir das wieder hinbekommen, sie und ich.« Ihr Blick glitt voller Zuneigung zu ihrem Schützling. »Mach dir keine Sorgen, m ein Schatz.«
    Die andere lächelte ihre Lehrerin an. Sie m achte eine Geste, als w ollte sie die Frau einladen, Chiara die Hand zu schütteln. Dass eine Waffe im Spiel war, hatte sie
    anscheinend noch im m er nicht wahrgenommen.
    Chiara und die Lehrerin bewegten sich nicht. Chiara wurde bewusst, dass sie diejenige war, die den nächsten Schritt tun musste. Sie war d i e Überlegene, oder erschien zu m i ndest so. Nicht, dass sie sich wirklich so fühlte.
    Sie ließ d i e Waffe sinken, stec k te sie aber nicht weg. »Es ist alles in O rdnung, glauben Sie m i r.«
    »Das soll H err Masken entscheiden, sobald er hier ist.«
    »Masken kommt her? H eute Abend?«
    Die Lehrerin m i ssdeutete Chiaras Überraschung als Besorgnis. Ihre Stim m e wur d e triumphierend. »Allerdings. Er w i rd s i c h er j ede M i n u t e hier sein. Er ist draußen bei der Yacht. Er wollte schon vor z w ei Stunden kommen, aber da es jetzt dunkel ist, denke ich, dass er jeden Augenblick  …«
    » W elche Yacht?«, unterbrach Chiara sie. »Julas Yacht?«
    »Allerdings. Die Yacht von Frau Mondscheins
    Schwester, Gott hab sie selig.«
    Chiara schüttelte den K opf. »Das Schiff ist doch schon vor Monaten gestohlen wor d en.« Masken hatte ihr das da m als gesagt, gleich bei i h rer ersten Begegnung, als er ihr Julas Besitztü m er auf g ezählt hatte: Die Yacht war einige Monate vor Julas Tod verschwunden.
    »Das Schiff ist wieder aufge t aucht«, sagte die Lehrerin ohne echtes Interesse und sichtlich erstaunt über Chiaras Reaktion.
    »Heute Morgen kam ein Anruf. Ich weiß nicht, von w e m . Von der Hafenbehörde, nehm ich m al an.«
    Chiara hatte das Gefüh l , m it einem Mal all e s verschwom m en zu sehen: d i e an d ere, d i e Le hrerin, die gesa m t e Umgebung.
    »Hören Sie«, sagte sie und m achte m it der W affe einen  W i nk, von dem sie hoffte, dass er gefährlich genug wirkte.
    »Ich m uss j e tzt weg. Ich werde Sie beide in einem Raum im Keller einsc h ließe n . Keine Sorge, ich g e be später je m and e m Bescheid, der Sie da wieder rausholt.«
    »Ich weiß nicht, was …«
    »Das verla n gt auch kei n er. Bitte – m achen Sie m i r keine Schwierigkeiten. Ich habe k e ine Lust, dieses Ding zu benutzen. W i rklich nicht.« S i e deutete hinaus in die Eingangshalle.
    »Gehen Sie vor.«
    Die Lehrerin zögerte noch, w a rf einen letzten Blick auf den Revolver, dann drehte sie sich naserü m pfend um und t r a t h i n a u s. Ch i ara n a h m die andere bei der Hand und folgte der Frau nach draußen.
    Ein paar Minuten später hatte sie b e ide in einem fensterlo s en Vorr a tsra u m i m Keller eingesperrt. Es gab Licht, so g ar ein Reg a l voll e r Leb e ns m ittel, f alls ei n e d e r beiden in de n nächsten Stunden Hunger bekom

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