Das zweite Gesicht
vor ein p a ar Monaten in der Klinik.«
Sager nickte. »Ich weiß.«
»Aber Sie wissen nicht, waru m , ode r ? «
»Um sie zu beherrschen, neh m e ich an.«
Chiara zog die Bettdecke bis zum Kinn. »Elohim hat die letzten Aufnah m en der Medusa- D reharbeiten. Ich habe Ihnen doch erzählt, dass i c h alles gesehen habe …
Wahrscheinlich hat Masken m i ch da m als verfolgen lassen und ist so dahintergekommen. Er musste Elohim auf seine Seite ziehen oder u m bringen. Darauf lief es hinaus. Wahrscheinlich hat er sich von der ersten Möglichkeit m ehr versprochen.«
Sager blickte zu Boden. »Dann ist d as Film m ateri a l j e t z t sicher ver n ichtet. Da m i t h a ben wir keine Möglichkeit m ehr zu beweisen, was wirklich passiert ist.«
»Viell e icht « , sagte s i e. »V iell e icht a ber auch n i c ht.«
» W ie m einen Sie das ? «
»Masken überschätzt sich. Er glaubt, wenn er den Doppelgängern lukrative Angebote m acht, sind sie ihm hörig. Aber Egois m us ist m ehr als der W unsch, im m er reic h er und m ächtiger zu werden. Das hat Masken nie begriffen. Die Spuren des Avatars … sie bewirken nic h t nur Egoismus im negativen Sinn des W ortes. Ich habe es selbst erst v or kurzem begriffen: Es geht um die Liebe zu sich selbst, eine absolut e , unvoreingenommene Liebe zur eigenen Person. Und glauben S i e m i r, dahinter verbirgt sich m ehr als ein gefülltes Porte m onnaie. Sicherheit, zum Beispiel … Glauben Sie wirklich, Elohims Doppelgängerin hätte a l len Ernstes auf diese Fil m aufnah m en verzichtet? S ie sind ihre s t ärkste W affe gegen Masken. Ich denke, ich habe nur eine Kopie zu sehen bekom m en. Elohim ist nicht d u m m . Die Origin a l au f nah m en, vielleic h t so g ar das Neg a tiv, lie g en ver m utlich in irgen d ei n em S a fe, von dem auch Masken nichts weiß. Sie sind ihr Faustp f and. Das ist wahrer Egois m us.« Sie lächelte, und zum ersten Mal seit ihrer Flucht gestattete sie sich wieder so etwas wie Hoffnung.
»Sprechen S i e m it ihr. V i elleic h t be k o m m en Sie sie dazu, die Aufnah m en – od e r wenigstens Kopien davon – herauszurücken. Sie müssen sie nur davon überzeugen, dass es zu ihrem Besten i s t … dass die Herausgabe des Materials ihr m ehr bringt, als die Verbindung zu Masken.« Sager hatte auf m erksam zugehö r t. S chlie ß lich nickte e r.
»Sie könnten Recht haben. Vielleicht haben wir es die ganze Zeit über falsch angepackt. Wir haben Berge von Beweisen gesammelt, haben Maskens Haus beobachtet, die Klinik – daher wusste ich übrigens, dass Sie dort waren –, aber wir haben es nicht auf dem einfachsten Weg versucht.«
Sie stim m t e ihm zu. »M a sken m it seinen eigenen Waffen zu schlagen ist vi e ll e ic h t nicht so schwierig, wie er selbst glaubt. Es ist eine Fra g e der Überzeugungskraft. Der Egois m us seiner Anhänger kann sich ganz schnell gegen ihn wenden. Versuchen Sie’s.«
»Und was werden Sie tun? S i ch wieder ver s tec k en?«
»Ich gehe fort aus Berlin … Aber zuvor m uss ich noch etwas erledigen, bei dem ich Ihre Hilfe brauc h e. Falls Sie m i r noch helfen wollen, heißt das.«
Er hob eine Augenbraue. »Jetzt gleich ? «
Zum ersten Mal begannen ihre Züge sich zu entspannen.
»Nein. Vielleicht m orgen. Oder über m orgen. Wenn ich nicht m ehr so m üde bin.«
»Ruhen Sie sich aus«, sagte er. » H ier wird Sie vorerst keiner finden. Ich lasse Ihnen auf alle Fälle einen Revolver da.« Aus seiner Manteltasche nahm er eine W aff e , zog die Schublade des Nachttischs auf und legte sie hinein.
Sie öffnete noch ein m al die Augen und sah ihn an.
»Danke«, sagte sie leise.
Sager schüttelte den Kopf. »Vielleicht werden wir uns noch bei Ihnen bedanken m üssen, Chiara.«
Sie wollte widerspr e c h en, aber da n n war sie selbst dazu zu schwach und schlief auf der Stelle ein.
*
Es war nic h t l e icht, an d e n Posten vorbeizukommen. Sie saßen in einem W agen a uf der anderen Straßenseite, genau gegenüber der Auffahrt zu der hell erle u chteten Villa. Einer von Sagers Leut e n, ein Mann m it grässlich entstelltem Gesicht, tork e lte die Straße e n tlang und pöbelte scheinbar betrunken heru m , trat gegen die Karosserie und m achte Ansta l ten, dagegen zu pinkeln. Verärgert und angewidert stieg einer der beiden Männer schließlich aus und verscheuchte den Verbrannten m i t gezogener Waffe.
Chiara gab das genug Zeit, das Tor aufzuschließen und aufs Grundstück zu schlüpfen. Sie verschwand
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