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Das zweite Gesicht

Titel: Das zweite Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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selbst probieren. Und warum auch nic h t? Es m acht  das Leben angeneh m er. Aber Sie haben m i ch da eben in eine Sit u ati o n gebracht, die m i r nicht gefällt. Ma növrieren Sie m i ch nie wieder in eine Lage, in d er Sie die Entscheidung bereits für m ic h getroffen haben, verstanden? Vor all den Leuten hatte ich gar keine andere Wahl, als den Mann rauszuw e rfen. Vielleicht war das ric h tig, vielleicht auch n i cht. Aber ich bin es, der hier die Entscheidungen trifft, nicht Sie oder irgendwer sonst. Ist das klar?«
    Sie biss sich in die Wange, weil sie das Gefühl hatte, sonst platzen zu m üssen vor W ut. » I st das für Sie nur eine Frage der A utorität?«
    »Beim Fi l m ist das die wichtigste aller Fragen, glauben Sie m i r. Wer bestim m t , was wie zu geschehen hat … darum geht es in erster Linie. Und hier bin ich derjenige. Nie m and sonst.«
    »Das ist lächerlich.«
    »Nicht für m i ch. Und das so l lte es auch n i c h t für Sie sein. Das lasse ich nicht zu.« D a m it drehte er sich um und ließ sie stehen. Kurz darauf hörte sie ihn auf der anderen Seite d e r Kulissen wie d er m it ein paar Männern streiten, als sei nichts geschehen.
    Sie ballte die Faust, bis die Fingernägel scharf in ihre Handballen schnitten. Masken hatte bekommen, was er wollt e : Sie spielte die Rolle i h rer Schwester. Aber jetzt gefiel ihm nicht, da s s sie wo m öglich denselben Eigensinn zeigte wie Jula, ein Eigens i nn, der letztlich zum Bruch zwischen den beiden ge f ührt hatte.
    Sie fragte s i ch, wie weit er gehen würde, um seinen  W illen durchzuset z en.
    Als sie m i t m ühsam unterdr ü ckt e m Zorn zurück z u ihrem Sessel ging, be m erkte sie Torben Grapow, der rauchend zwischen den Kulissen stand und alles  beobachtet hatte. W i e sie ihn bisla n g ein s chätzte, hätte er ihr jetzt aufmunternd zuläche l n m üssen. Aber er lächelte nicht, sondern sch ü ttelte nur den Kopf und drückte seine Zigarette an einer Holzwand aus.
    Dann m us s te sie die Augen s chließen, weil die  Maskenbil d nerin ihren Lidschatten nachzie h en wollte.
    Als sie wieder hinsah, war Grap o w fort. Sie entdec k te ihn erst Augenblicke später wieder, jetzt neben Götzke, der sein Buch zugeschlagen hatte.
    Die beiden steckten die Köpfe zusammen und f l üsterten.
     
     
    *
     
     
    »Er ist ein Arschloch. Ein Dreckschwein und ein Hurensohn.« Ursi van der Heden nippte an ihrem Cocktail, rührte m it dem kleinen Papie r schirm darin und leckte sich anschließend genüsslich die Fingerspitzen ab.
    »Irgendwann werde ich auch lernen, m it diesen Dingern u m zugehen, ohne m i ch einzusauen.«
    Mit kalkuliertem Augenaufschlag blickte sie in die Runde der vier Frauen. Sie befanden sich auf d e m Flachdach eines Hau s es am Kurfürstenda mm ; Ursi bewohnte eine luxuriöse W ohnung im obersten Stockwerk. Hinter der D achkante er s t rec k te sich das lic h t e Grün des Zoologischen Gartens.
    »Aber um auf Masken zurückzu k o m m en: Er ist ein Arschloch, ein Dreckschwein und ein Hurensohn. Oder hab ich das schon gesagt ? «
    Maria Mariannsen, die sich neben Chiara auf ein e m Liegestuhl räkelte und eine Zigarre rauchte, kicherte wie ein kleines Mädchen. » W ie war d a s, als er dich da m als für Die Tore v o n Wien be s etzen wollte?«
    »Den hat er nie gedreht.«
    »Ich weiß. Aber er wollte dir diese Rolle geben.«
    »Die Tochter des Türkenfürsten.« Ursi warf unter hochgezogener Braue einen B lick zu Chiara herüber.
    »Da m it ich anstän d i g a u f die Rolle vorber e it e t bin, wollte er m i r seinen Diwan zeigen.«
    Maria prustete los. Ihre größten Rollen, m unkelte m an, spielte sie abwechselnd im Bett von Lubitsch und dem Theaterkritiker Norbert F a lk, einem der Autoren von Anna Boleyn.
    Chiara blieb ernst. »Das hat er versucht ? «
    » W as denkst du denn? Das tun sie doch alle. Der beste  Fick, die beste Rolle – w enn du Glück hast.«
    »Ich dachte, das sind nur Klischees.«
    »Kom m t d r auf an, über wen w i r sprechen. Für ein paar m ag das nicht gelten, H enni Porten und Asta und vielleicht die Negri. A ber genau w eiß das auch keiner.«
    » W as war mit Jul a ?«
    Ursi, eine hübsche Blondine m it unge m ein langen, schlanken F i ngern und nicht weniger attraktiven Beinen, schnippte den Papierschirm aus ihrem Cocktail und trank den Rest m i t einem Zug aus. »Sie kannte das Spiel und die Regeln.«
    Chiara war nicht sicher, wie sie das zu verstehen hatte, kam aber nicht dazu, weitere Fragen

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