Das zweite Gesicht
il. Tr ot zde m : W enn sie noch an anderen Stellen im Haus solche Spuren hinterlas s en hatte, würde M a sken bald wissen, dass je m and hier gewes e n w ar. Nein, der Sch m utz musste schon vorher da gew e sen sein, ganz bestimmt.
Aber ihre U nruhe blieb.
Die Tür … Chiara öffnete sie ganz.
Dahinter war es dunkel – abgesehen von einem hellen U m riss auf Höhe ihrer Augen.
Der Zifferblatt m ann.
Sie prallte zurück, als hätte m an ihr in ins Gesicht geschla g en. Sie st olperte r ü ckwärts ü ber die zusam m engeschobene Matte, r u tschte weg und fing sich gerade noch m it einer Hand am Waschbecken ab. Dabei stieß sie ein Glas u m , i n d e m Ma s kens Zahnbürste stand. Für einen Augenblick gefror die Zeit, rückte in einzelnen Fil m bildern vorwärts wie ein Sekundenzeiger.
Das Glas am Rand des Beckens. Das Glas frei in der Luft.
Chiara griff danach. Zu langsa m .
Das Glas zerschellte m it ein e m sch r illen Kli r ren auf den Fliesen. D as Geräusch m usste im ganzen Haus widerhallen.
Vielleicht w ar Masken noch am Eingang und hatte es nicht gehört. Oder aber er rannte gerade die Treppe herauf, den Gang entlang …
Aber Chiara horchte nicht auf Schritte. Sie blickte zu der offenen Luke. Dahinter bef a nd sich ein zurückgesetzter W andschra n k. Auf dem m ittler e n Regal s t and e i ne ausrangie r te Uhr m it weißem Zif f erbl a tt. Das Glas hatte einen gezackten Riss.
Kein Mann. Kein gesch m inktes Gesicht. Nur eine alte Uhr.
Sie hörte ihren Herzschlag im Kopf, spürte das Pulsieren des Blutes in ihrer Halsschlaga d er. Rasch bückte sie sich, schob die Scherben m it bloßen Händen zusam m en und schaute sich panisch nach e i nem Ort u m , an dem sie sie verstecken konnte. Schließli c h warf sie sie in das obere Fach des Wandschranks, schob sie nach hinten. Die Zahnbürste legte sie auf den W aschbeckenrand.
Blut tropfte von ihrer Hand a u f den weißen Marmor. Sie hatte sich an den Scherben geschnitten. Als sie den Trop f en m it dem Finger f ortw i sch e n wollte, zog er eine breite rote S ch m ierspur über das Becken.
Da – eine T ür klapperte. Oder täusc h te sie sic h ?
Wenn sie den W asserhahn aufdrehte, war das Geräusch der pu m penden Leitungen im ganzen Stockwerk zu hören. Sie ergriff ein Handtuch und rieb hektisch über das feuchte Blut, versch m i erte es dabei nur noch m ehr. Schließlich aber saugte der Stoff alles auf, der Mar m or war wieder weiß. Das besch m utzte Tuch warf s i e zu den Scherben in den W andschrank.
Was nun? Wohin?
Schritte vor der Badezimmer t ür – jetzt gab es keinen Zweifel m e hr. Masken war im Schlafzim m er! Das Bett quiet s chte. Legte er s i ch g l eich hi n ? Sie hörte das Geräusch von Schuhen, die fallen gelassen wurden. Dann erneut das Quietschen. Er s t and w i eder auf. Die Schritte näherten sich.
Sie sprang in den W a ndschrank, wollte die Tür von innen zuziehen – als ihr d e r Schlüsselbund einfiel. Es steckte noch.
Die Schritte verharrten v or der Tür.
Sie griff aus dem Schrank, n e stelte an dem Metallring, zog den Schlüssel aus dem Loch.
Die Klinke der Badtür senkte sich.
Chiara zog die Luke zu. Hielt d i e Lu f t an. Hatte d as Gefühl, schreien zu m üssen. Ihre rechte Faust w ar so fest um die Schlüssel geballt, d a ss das Metall sch m erzhaft in ihren Han d ballen sch n itt. Sie wa rt ete auf Schritte, auf Geräusche, doch nichts war zu hören.
W arum bli e b er v o r d e r Tür s t eh e n? W ar ihm etwas aufgefalle n ? Hatte si e etwas übersehen – andere
Blutstropfen, vielleicht?
Der Sch m u t z auf der Matte!
Das m usste es sein. Er würde die Polizei rufen, und m an würde sie hier finden, in seinem Wandschrank im Badezim m e r . Man würde alle m öglichen Schlüsse ziehen, einer würdeloser als der andere.
Sie wollte s t erben, auf der Stelle. Sie hatte noch nie im Leben solche Angst gehabt.
Plötzlich v erstand sie. Die Matten dä m p ften sei n e Schritte, aber jetzt hörte sie Rascheln von Kleidung. Dann knirschte und dröhnte es, als Masken den Wasserhahn aufdrehte.
Sie hoffte inständig, dass er a ll e in war. Und wenn im Schlafzimmer das Mädchen wartete, das er m it zur Seance gebracht hatte? Nein, wohl kau m . Dann hätte Chiara Stim m en g e hört.
Sie wich so weit nach hinten zurück, wie sie nur konnte. Die Ränder der Regal b retter dr ü c k t en in i h ren Rücken, trotzdem war die Tür nur eine Handbreit von ihrer Nasenspitze entfernt. S i e konnte nicht
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