Das zweite Gesicht
anders, als sich das Bild vorzustellen, das sie bieten würde, wenn er den Schrank öffnete.
Das Röhren der W asserleitung verstum m te.
W ar ihm au f ge f allen, dass das Glas f ehlt e ? Natürlic h , das m usste er m erken. So betrunken oder berauscht konnte er nicht sein, sonst hätte er den Wagen nicht m ehr allein hierher steuern können.
Möglich, dass er es auf seine Haushälterin schob. Hin und wieder gingen Dinge kaputt, das taten sie überall. Das fehlende Glas würde ihn nicht m i sstrauisch m achen.
Die Toilettenspülung wurde betätigt.
Ein Scheppern, als die Badezim m ertür geschlossen wurde.
Von außen? Sie hoffte es. Aber noch wagte sie sich nicht aus dem Schrank. W ohin sollte sie auch gehen?
Sie wartete so lange, bis s i e in dem engen Verschlag nicht länger stehen konnte und es ihr schließlich gleichg ü ltig war, ob er sie entdec k te oder nic h t. Sie wollte nur raus, ertrug die Ansp a nnung nicht länger. Ihr linker Unterschenkel kra m pfte, und ihr Nacken tat weh, weil sie sich in dem niedrigen Schrank die ganze Zeit über leicht gebückt halten m usste.
Im Bad war es dunkel. Durch die Ritzen der Tür zum Schlafzimmer fiel kein Licht. W i e lange hatte sie s i ch versteckt? Eine halbe Stund e ? Eine ganze? Vielleicht schlief Masken schon. W ah r scheinlich, es war ein anstrengender Abend gewesen. Erst die Party, dann die Seance und was im m er danach n o ch passiert war. Ganz gleich was Lea behauptete, Chiara konnte nicht glauben, dass Masken und die anderen nach ihrem Abgang weiterge m a c ht hatten wie gep l ant. Hatten sie diskutiert? Gestritten? Sicher hatten alle eine Menge getrunken. U m so tiefer würde Mas k en jetzt sc hl afen.
Sie ballte die Finger fest um die Schlüssel aus Angst, sie könnten gegeneinander schlagen. Aber sie musste den Schrank wieder absperren; die Tür schloss nicht richtig und würde sonst einen Spalt weit offen stehen.
Vorsichtig schob sie den Sch l üssel ins Loch, bemüht, die anderen drei dabei festzuhalten.
Bevor sie ihn u m dreht e , fiel ihr etwas ein.
In diesem Haus m usste es Dutzende Schränke, Fächer und Verschläge geben. W arum h i ng ausgerechnet der Schlüssel zu diesem unscheinbaren W andschrank an einem Bund, an d e m s i ch sonst nur die Hauptschlüssel befanden?
Und warum, verdam m t , war ihr das nicht schon früher eingefalle n ?
Sie horchte, hoffte Maskens gleic h m äßiges A t m en zu hören, registrierte aber nur völlige Stille.
Langsam zog sie m it dem Schlüssel den W andschrank ein zweites Mal auf. Die Badematte, die sich zuvor darunter verfangen hatte, war ein Stück zur Seite geschoben worden. Das war nicht sie gewesen. Masken musste die Veränderung be m erkt haben. Aber hatte er auch die richtigen Sc h l ü sse gezoge n ?
Wohl kau m , denn dann stünde er jetzt hinter ihr. Sie wirbelte heru m . Und sah nichts.
Ihr Atem kam ihr ungeheuer laut vor, selbst ihr Herzschlag erschien ihr verr ä terisch. Sie konnte das Licht im Bad nicht an m achen, um den Schrank ein zweites Mal zu untersuchen. Fahler Mondschein fiel durchs Fenster, viel zu schwach, um mehr als grobe For m en z u erkennen. Ihre Hände tasteten über die Regal b retter, a b er alles, was sie fand, waren Stapel m it Handtü c hern, Seifenstücke und ein paar Glasfläschchen. Sie öffnete zwei, roch daran und stellte sie zurück. Duftw a sser, nichts Besonderes.
Die Rückwand. Vielleicht war sie hohl. Der einzige Weg, das herauszufinden, war der, gegen das Holz klopfen.
Vergiss es, schalt sie sich. Nicht h eute Nac h t. Nicht in dieser Stille. Falls Ma s ken noch w ach war, würde e r es hören.
Falls er wach war, würde er sie ohnehin be m erken, wenn sie das Bad verlassen und durch sein Schlafzimmer zur Tür schleichen würde. Ebenso gut also konnte sie die Sache sofort beenden, wenn es denn unu m gänglich war.
Ganz vorsichtig klopfte sie m it dem Fingerknöchel gegen die Rückwand des W andschranks. Zu leicht. Sie musste es fester versuchen. Chia r a at m ete tief durch, schloss die Augen – und klopfte zwei m al fest gegen das Holz.
Hohl. Eindeutig. Aber das konnte alles und nichts bedeuten.
Sie horc h te auf Masken, aber im Schlafzimmer sc h i en sich nichts zu rühren. Keineswegs beruhigt, aber ein bisschen weniger panisch begann sie, die Rückwand abzuta s t en, vor allem an den Rändern. Sie hoffte, ein weiteres Schlüsselloch zu finden, irgendetwas, das auf eine geheime Tür hindeutete.
Du m achst dich läc h erlich! Du spiel s t
Weitere Kostenlose Bücher