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Das zweite Gesicht

Titel: Das zweite Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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anders, als sich das Bild vorzustellen, das sie bieten würde, wenn er den Schrank öffnete.
    Das Röhren der W asserleitung verstum m te.
    W ar ihm au f ge f allen, dass das Glas f ehlt e ? Natürlic h , das m usste er m erken. So betrunken oder berauscht konnte er nicht sein, sonst hätte er den Wagen nicht m ehr allein hierher steuern können.
    Möglich, dass er es auf seine Haushälterin schob. Hin und wieder gingen Dinge kaputt, das taten sie überall. Das fehlende Glas würde ihn nicht m i sstrauisch m achen.
    Die Toilettenspülung wurde betätigt.
    Ein Scheppern, als die Badezim m ertür geschlossen  wurde.
    Von außen? Sie hoffte es. Aber noch wagte sie sich nicht aus dem Schrank. W ohin sollte sie auch gehen?
    Sie wartete so lange, bis s i e in dem engen Verschlag nicht länger stehen konnte und es ihr schließlich gleichg ü ltig war, ob er sie entdec k te oder nic h t. Sie wollte nur raus, ertrug die Ansp a nnung nicht länger. Ihr linker Unterschenkel kra m pfte, und ihr Nacken tat weh, weil sie sich in dem niedrigen Schrank die ganze Zeit über leicht gebückt halten m usste.
    Im Bad war es dunkel. Durch die Ritzen der Tür zum Schlafzimmer fiel kein Licht. W i e lange hatte sie s i ch versteckt? Eine halbe Stund e ? Eine ganze? Vielleicht schlief Masken schon. W ah r scheinlich, es war ein anstrengender Abend gewesen. Erst die Party, dann die Seance und was im m er danach n o ch passiert war. Ganz gleich was Lea behauptete, Chiara konnte nicht glauben, dass Masken und die anderen nach ihrem Abgang weiterge m a c ht hatten wie gep l ant. Hatten sie diskutiert? Gestritten? Sicher hatten alle eine Menge getrunken. U m so tiefer würde Mas k en jetzt sc hl afen.
    Sie ballte die Finger fest um die Schlüssel aus Angst, sie könnten gegeneinander schlagen. Aber sie musste den Schrank wieder absperren; die Tür schloss nicht richtig und würde sonst einen Spalt weit offen stehen.
    Vorsichtig schob sie den Sch l üssel ins Loch, bemüht, die anderen drei dabei festzuhalten.
    Bevor sie ihn u m dreht e , fiel ihr etwas ein.
    In diesem Haus m usste es Dutzende Schränke, Fächer und Verschläge geben. W arum h i ng ausgerechnet der Schlüssel zu diesem unscheinbaren W andschrank an einem Bund, an d e m s i ch sonst nur die Hauptschlüssel befanden?
    Und warum, verdam m t , war ihr das nicht schon früher eingefalle n ?
    Sie horchte, hoffte Maskens gleic h m äßiges A t m en zu hören, registrierte aber nur völlige Stille.
    Langsam zog sie m it dem Schlüssel den W andschrank ein zweites Mal auf. Die Badematte, die sich zuvor darunter verfangen hatte, war ein Stück zur Seite geschoben worden. Das war nicht sie gewesen. Masken musste die Veränderung be m erkt haben. Aber hatte er auch die richtigen Sc h l ü sse gezoge n ?
    Wohl kau m , denn dann stünde er jetzt hinter ihr. Sie wirbelte heru m . Und sah nichts.
    Ihr Atem kam ihr ungeheuer laut vor, selbst ihr Herzschlag erschien ihr verr ä terisch. Sie konnte das Licht im Bad nicht an m achen, um den Schrank ein zweites Mal zu untersuchen. Fahler Mondschein fiel durchs Fenster, viel zu schwach, um mehr als grobe For m en z u erkennen. Ihre Hände tasteten über die Regal b retter, a b er alles, was sie fand, waren Stapel m it Handtü c hern, Seifenstücke und ein paar Glasfläschchen. Sie öffnete zwei, roch daran und stellte sie zurück. Duftw a sser, nichts Besonderes.
    Die Rückwand. Vielleicht war sie hohl. Der einzige Weg, das herauszufinden, war der, gegen das Holz klopfen.
    Vergiss es, schalt sie sich. Nicht h eute Nac h t. Nicht in dieser Stille. Falls Ma s ken noch w ach war, würde e r es hören.
    Falls er wach war, würde er sie ohnehin be m erken, wenn sie das Bad verlassen und durch sein Schlafzimmer zur Tür schleichen würde. Ebenso gut also konnte sie die Sache sofort beenden, wenn es denn unu m gänglich war.
    Ganz vorsichtig klopfte sie m it dem Fingerknöchel  gegen die Rückwand des W andschranks. Zu leicht. Sie musste es fester versuchen. Chia r a at m ete tief durch, schloss die Augen – und klopfte zwei m al fest gegen das Holz.
    Hohl. Eindeutig. Aber das konnte alles und nichts bedeuten.
    Sie horc h te auf Masken, aber im Schlafzimmer sc h i en sich nichts zu rühren. Keineswegs beruhigt, aber ein bisschen weniger panisch begann sie, die Rückwand abzuta s t en, vor allem an den Rändern. Sie hoffte, ein weiteres Schlüsselloch zu finden, irgendetwas, das auf eine geheime Tür hindeutete.
    Du m achst dich läc h erlich! Du spiel s t

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