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Das zweite Imperium der Menschheit

Das zweite Imperium der Menschheit

Titel: Das zweite Imperium der Menschheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanns Kneifel
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deutendes Lächeln. Als Dor weiterging, ertönte in der
Ferne ein Donnern und Rumpeln wie von einer niederstürzenden Steinlawine.
    Als Axarnea unter den gezackten Horizont kroch, erreichte Dor den heiligen Hain
und schnitt sich eine Bahn durch den Eingang. Hier hatte die hungrige Vegetation
Halt gemacht. Der ausgeglühte Sand duldete keinerlei Wachstum. Seine Tritte
hörten auf, als die Dunkelheit mit der Geschwindigkeit der Tropen hereinbrach.
Dor legte sich unter einen Baum in der Nähe des Tempels und fühlte
sich geborgen in diesem kultischen Schutz; er schlief ein. Nur die verhaltenen
Geräusche des nächtlichen Dunkels drangen unbewusst an seine Ohren.
Axar wachte über ihn.
     
    Die schweren Düfte der Nacht wichen denen des Morgens. Der Tau fiel, einige
Minuten lang, auf den Dschungel und den warmen Sand, in dem zusammengekrümmt
der Babylonier schlief. Er wachte auf und sah sich umgeben von einem horizontalen
Nebel, der rasch verflog. Dann wurde das Licht schärfer, härter. Dor
wusch sich an einem Tümpel und aß einige Konzentrattabletten. Er
trank kaltes Wasser und reckte sich. Die Müdigkeit wich aus seinen Gliedern.
    Vor ihm lag der große Tempel. Hundert Meter weit geradeaus ging es durch
den Sand, in dem seine Sohlen tiefe Spuren hinterließen. Gerippe lagen
umher, aber er konnte nicht genau sagen, ob es Reste der einstigen Bewohner
waren oder verendete Tiere. Dor erkletterte die Stufen. Vor seinen Augen entstanden
aus der schimmernden Fläche des Portals Figuren und Geschichten, die diese
Metallarbeiten erzählten. Dor überwand Stufe um Stufe; gleißend
strahlten die Steine unter den Strahlen Axarneas.
    Dann drückten seine muskulösen Hände ein Portal auf. Die mächtigen
Angeln knirschten. Das Öl war im Verlauf von vier Jahrhunderten verharzt.
Dämmrige Moderstimmung, abgestandener Geruch und die unheimliche Atmosphäre
schlugen ihm entgegen. Er öffnete den zweiten Flügel und ließ
Luft einströmen. Licht drang ein und erhellte die Steinplatten bis zur
Mitte des Tempels. Auch hier war es massiver Stein, in Blöcken aufeinandergetürmt,
verziert mit schlanken Säulen, die Blumenmuster und Ranken trugen; massives
Metall, vermutlich Gold. Dor ging dorthin, wo er vor der gelben Wand einen Sockel
mit einer Statue sah. Er öffnete zwei andere Tore, und von beiden Seiten
strömte Licht in breiten Balken herein.
    Dann sah er Axar. Die Stirn des Götzen flammte auf, als das Licht
ihn traf. Das Auge warf einen ungeheuren Reflex; jeder Winkel des Tempels zeigte
sich in hellem Schein. Dor kniff die Augen zusammen. Schritt für Schritt
näherte er sich dem Sockel. Immer heller strahlte das Auge. Es war ein
großer Diamant, der das Licht auffing und bündelte, dachte er. Aber
es musste mehr sein ...
    »... wer durch mein Auge sehen kann, erkennt den Ursprung aller Dinge.
Ich bin fürchterlich ...«
    Strahlungen einer unbekannten Art? Dor stand direkt vor dem Götzen.
Die Fratze des schwarzen Wesens grinste ihn höhnisch an. Dor stellte sich
auf den schwarzen Sockel und sah in das Auge. Die harte Strahlung blendete ihn,
dann registrierten seine optischen Zellen nichts mehr. Er wurde blind. Hilflos
klammerte er sich an den Götzen, an den Blitz in seiner Faust. Ein Schlag
von ungewöhnlicher Schärfe durchzuckte Dor, einmal, zweimal; er lockerte
seinen Griff. Alle Muskeln begannen zu schmerzen. Dann wurde ihm übel,
und er öffnete die Augen; tiefes Dunkel hüllte ihn ein. Er stürzte
vom Sockel und blieb liegen.
    Einige kleine Pelztiere liefen durch die Halle und schnupperten an seinen Lederstiefeln.
Das Licht aus dem Auge des Götzen war erloschen. Dor Amakron rührte
sich nicht.
     
    Als er aufwachte, herrschte konturlose Nacht. Nacht? Er wusste, dass
er zuletzt blind gewesen war und hilflos. Die Schmerzen in seinen Gelenken waren
vergangen, aber er konnte sich kaum rühren. Eine dumpfe Lähmung hatte
von ihm Besitz ergriffen. Er stemmte sich mühsam hoch und kam zitternd
auf die Beine und vermochte Hell und Dunkel zu unterscheiden und grobe Formen
zu erkennen. Er hatte in das Auge gesehen. Und die Wahrheit wurde ihm entgegengeschmettert;
Wahrheit über den Tag seines Todes, die Art des Sterbens und über
das Schicksal der Expedition. Er wusste alles. Konnte er jemandem damit dienen?
Er versuchte es.
    Dor bewegte sich dem Ausgang zu. Kühler Wind, der den besänftigenden
Geruch nach frischem Wasser mit

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