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Das zweite Imperium der Menschheit

Das zweite Imperium der Menschheit

Titel: Das zweite Imperium der Menschheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanns Kneifel
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geworden – wie der berühmte Vater.
Carid Ho hatte die Mikrobiologie gewählt. Auf Grund seiner Fähigkeiten
hatte das Imperium ihn nach Khorsabad geschickt – er war ebenfalls zellverlängert.
Und jetzt – er sah unruhig hoch und schauderte – würde er das
Imperium verraten müssen. Carid stand langsam auf.
    Neben ihm, auf einem niedrigen Tisch mit hoch polierter Platte, lag eine lederne
Tasche, in der eine moderne Waffe ruhte. Es handelte sich um das letzte Modell
eines Lasers, das nur in begrenzter Anzahl für Angehörige der Kapitänsklasse
hergestellt wurde. Neben dem Tisch standen Koffer, ein weißer, lederner
und ein kleinerer aus Leinengewebe. In diesen Koffern lag die gesamte Habe des
Mikrobiologen: alles, was er bisher geschaffen hatte. Notizen und Aufzeichnungen,
strahlungs- und weltraumsicher gespeichert. Das Wissen und die technischen Fakten,
die diese Datenspeicher enthielten, waren in ihrer Konsequenz furchtbarer als
die Feuerkraft einer Raumflotte. Für jemand, der sie lesen konnte, waren
sie von unschätzbarem Wert. Carid Ho musste verhindern, dass sie jemand
in die Hände bekam, der mit ihnen nicht umgehen konnte – gleichzeitig
durfte er sie nicht vernichten. Seine Freunde brauchten sie.
    Carid schüttelte den Kopf, um einen dumpfen Schmerz loszuwerden, der ihn
seit Stunden quälte. Er warf einen nachdenklichen Blick auf das Kaminfeuer,
dann sah er auf die Uhr am Handgelenk.
    »Verdammt«, sagte er leise, »noch eine halbe Stunde!«
    Einzig das Haus der Familie Ho war von dem Angriff der Barbaren verschont geblieben.
Als vor einer Woche der gepanzerte Keil der fremden Schiffe sich bis nach Terra
vorgeschoben hatte, wurde vieles zerstört. Auch ein Vorort innerhalb von
Terra Center, der Stadt, die fast die gesamte Region Nordamerikas bedeckte.
Der Betonwürfel lag geschützt an einem Abhang, von einem Park mit
großen Bäumen umgeben. Sie hatten die Druckwellen der explodierenden
Geschosse aushalten können. Die Siedlung existierte bis auf wenige Häuser
nicht mehr, ihre Bewohner, meist Wissenschaftler und ihre Familien, waren evakuiert
worden. Nur einige Straßen waren verschont geblieben.
    Traurig sah Carid auf die wertvolle Einrichtung. Er würde dieses Haus so
verlassen, wie er jetzt Terra verließ – lautlos im Schutz der Nacht.
Das war das Ende seiner Tätigkeit für das Imperium.
    »Das Schiff sinkt«, sagte er zu sich, »und die klügsten
Ratten gehen von Bord.«
    Er fühlte sich bedrückt. Aber diese Furcht verschwand, als er sich
vorstellte, was auf ihn wartete. Es war einige Minuten vor Mitternacht. Carid
war allein. Auf der entfernten Straße herrschte todesähnliche Ruhe.
Auf dem Fluss unter dem Fenster fuhren weder Schiffe noch Boote – in den
strahlenden Ruinen der Gebäude war jedes Leben ausgestorben. Nur die kahlen
Äste der Bäume um das Haus knackten, als sie der Anprall des Herbstwindes
traf. Eine Zone des Todes.
    Carid Ho ließ das Feuer ausgehen und begann sich anzuziehen. Über
seine bequeme Kleidung zog er einen dreiviertellangen schwarzen Mantel mit Kapuze.
Er streifte sich den Stoff über den Kopf und zog lederne Handschuhe an.
Einen Moment zögerte er, dann griff er nach dem Gurt mit dem geladenen
Laser und schnallte ihn um die Hüfte. Die Hände fassten nach den Griffen
der Koffer. Ein Kontakt, den er mit der Stiefelspitze in die Wand drückte,
ließ die Lampen erlöschen. Die Tür schwang auf, und Carid trat
hinaus in die Kälte der sternflirrenden Herbstnacht.
    Durch den anstürmenden Wind hörte der einsame Mann ein starkes Brummen
in der Ferne. Es konnte der Wagen sein, der ihn abholen sollte. Es konnte ebenso
gut etwas anderes kommen, die Polizei des Imperiums zum Beispiel. Er zögerte.
Über den Gräsern, den Ästen der Büsche und der Rinde von
Baumstämmen lag der erste Reif. Über der trostlosen Landschaft leuchtete
kalkiges Mondlicht. Das Brummen kam näher. Ein Wagen fuhr den Abhang der
Hochstraße hinauf. Die Lichtbalken der Scheinwerfer verwandelten den Hügel
in einen zackigen Grat, auf dem man die Silhouette eines jeden Steines und jeden
Grashalms genau sah. Der Mikrobiologe fröstelte und verschwand im Schatten
eines großen Busches.
    Carid dachte an die Dinge, die jetzt kommen konnten. Wer saß in dem Wagen?
Das Fahrzeug verließ mit aufheulender Turbine die Straße und fuhr
über die Rasenflächen des Parks. Die breiten Reifen, mit einem

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