Das Zweite Imperium
gewachsen war. Er mußte sich also dumm stellen und seine geistigen Fähigkeiten weiter verbergen.
Wenn er sich darauf einstellte, konnte er trotzdem viel erreichen. Da er die Spione von vornherein kannte, konnte er sie entsprechend behandeln und die Gefahr auf ein Minimum beschränken, indem er ihnen nur Tatsachen zu berichten gab, die ihm nicht schaden konnten.
Abgesehen von diesen Problemen war der Aufbau einer starken persönlichen Organisation kein großes Problem, denn Kinnison gehörte jetzt zu den wichtigen boskonischen Persönlichkeiten. Als Major des persönlichen Beraterstabes stellte er eine Macht dar, mit der man rechnen mußte und die man nicht unnötig in Rage bringen durfte. Als brillanter Taktiker, der sich die Gunst des gefürchteten Premierministers erworben hatte, galt er als Karrieremacher.
Bei dieser Verteilung der Kräfte konnte die Auseinandersetzung nicht lange ausbleiben. Alcon wußte durch die Arbeit seines privaten Geheimdienstes, daß Gannel gegen ihn arbeitete. Und er wußte, daß Gannel die Trümpfe in der Hand hielt. Schon oft hatte der Tyrann versucht, in den Geist des Majors einzudringen, der es jedoch immer irgendwie verstanden hatte, dem fragenden Impuls auszuweichen. Jetzt war Alcon entschlossen, sich nicht mehr abweisen zu lassen, und ging mit voller Kraft gegen Gannel vor.
Doch Kinnison war auf der Hut. Er mußte den Tyrannen abwehren; doch anstatt einen zu offensichtlichen Gedankenblock zu errichten, verließ er sich auf seine angeborene Willensstärke, die er dem unerwünschten Eingriff entgegenstellte und die einem natürlichen Gedankenblock entsprach.
»Ich weiß nicht, was Sie mit mir vorhaben, Alcon«, wandte er sich an den Tyrannen. »Aber was es auch ist – es gefällt mir nicht! Ich habe den Eindruck, daß Sie mich hypnotisieren wollen. Geben Sie es auf! Keine hypnotische Gewalt kann meinen Willen brechen ...«
»Major Gannel, Sie werden sich ...«, begann der Tyrann. Doch er sprach den Satz nicht zu Ende. Er war noch nicht bereit, sich mit diesem Möchtegern-Revolutionär offen auseinanderzusetzen. Außerdem konnte jetzt kein Zweifel mehr daran bestehen, daß die geistigen Fähigkeiten des Majors nur durchschnittlich waren. Er schien von den verschiedenen Erkundungsversuchen Alcons nichts gemerkt zu haben und hatte auch diesen letzten mächtigen Vorstoß falsch ausgelegt. Er hielt ihn für einen Hypnotisierversuch!
In wenigen Tagen konnte er zuschlagen. Schnell fuhr der Tyrann fort: »Ich will Sie nicht hypnotisieren, Major Gannel. Es handelt sich lediglich um eine Art Telepathie, die Sie nicht verstehen können. Leider läßt sich ein solcher Schritt nicht vermeiden, denn wenn ein Mann eine wichtige Position bekleidet, können wir es natürlich nicht zulassen, daß uns Geheimnisse irgendwelcher Art vorenthalten werden. Sie verstehen also, daß ein solches Vorgehen durchaus begründet ist.«
Kinnison erkannte den Grund für die ungewöhnliche Langmut des Tyrannen und erwiderte: »Vielleicht haben Sie recht. Trotzdem gefällt es mir nicht.«
Mit diesen Worten kehrte er in sein Quartier zurück. Er hatte gewußt, daß es eines Tages zum Kampf kommen mußte, und hatte entsprechend vorgesorgt. Da ihm sein eigentlicher Stab im Notfall wenig helfen konnte, hatte er in aller Stille eine völlig getrennte Organisation aufgebaut, die sich aus bewährten Männern zusammensetzte – aus Männern, die bereit waren, die Posten einiger Unterführer Alcons kurzfristig zu übernehmen. Nacheinander setzte sich Kinnison jetzt mit diesen Leuten in Verbindung und gab ihnen seine Befehle.
Um seine Rolle weiterspielen zu können, legte er einen mechanischen Gedankenschirm an, der den Premierminister nicht noch mißtrauischer machen konnte, als er ohnehin schon war. Auf diese Weise gewappnet, begab er sich zu einer Zusammenkunft des Beratenden Kabinetts, die er schließlich ›sprengte‹. Die anderen Berater stellten natürlich nichts Ungewöhnliches fest, doch Alcon und der Premierminister gerieten sichtlich aus der Fassung und erklärten die Konferenz bald für beendet. Die anderen Mitglieder der Kommission wurden entlassen, während Kinnison sich die wütenden Vorhaltungen des Tyrannen anhören mußte. Der Premierminister hielt sich schweigend im Hintergrund.
»Ich erwarte kein größeres physisches Privatleben als bisher«, sagte Kinnison, nachdem er einige Minuten geduldig ausgeharrt hatte. »Die Tatsache, daß man ständig von menschlichen und mechanischen Spionen umgeben
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