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Das zweite Königreich

Das zweite Königreich

Titel: Das zweite Königreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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die Versammelten wandten und der erste sie in französischer, der zweite in englischer Sprache fragte, ob sie ihren neuen König anerkennen wollten, war der zustimmende Jubel aus englischen Kehlen ebenso laut wie der der anwesenden Normannen.
    So ohrenbetäubend war ihr Getöse, daß Cædmon unbemerkt den Rückzug antrat und die Kirche verließ. Doch als er auf den Vorplatz hinaustrat, stockte ihm der Atem.
    »O mein Gott, Lucien, was tust du …«
    Die Männer der Wache hatten ihre Schwerter gezogen und jagten die Schaulustigen davon. Etwa ein Dutzend Soldaten hatte sich um Lucien de Ponthieu geschart, der einen Strohhaufen vor einem Mietstall an der Ecke des Platzes entzündet hatte und brennende Fackeln an seine Männer verteilte.
    Ehe Cædmon ihn erreicht hatte, standen die ersten Strohdächer schon in Flammen.
    »Lucien … bist du wahnsinnig!«
    Lucien stieß ihn mit der Schulter beiseite, das Schwert in der Faust. »Brennt das verdammte Rebellennest nieder!« befahl er. »Die anderen folgen mir!«
    Er wollte Richtung Kirche davonstürzen, aber Cædmon packte seinen gesunden Arm und hielt ihn zurück. »Wenn du jetzt die Kirche stürmst, wird er dich hängen lassen. Was ist nur in dich gefahren!«
    Lucien versuchte sich loszureißen. »Hörst du denn nicht? Es ist eine Revolte …«
    Cædmon lauschte dem Getöse, das aus dem Kirchenportal drang, und verstand. Er ließ Luciens Ellbogen los. »Du irrst dich. Sie feiern ihren neuen König.«
    Lucien hörte kaum hin. »Laß mich, du verfluchter Kollaborateur! Du wirst mich nicht hindern, meine Pflicht zu tun …«
    »Herrgott, sperr die Ohren auf, Lucien! Es ist keine Revolte. Sie jubeln!«
    Lucien blieb wie angewurzelt stehen und lauschte. Cædmon hatte eindeutig recht, es konnte keinen Zweifel geben. Das Geschrei, das aus der Kirche drang, das Lucien in seinem Eifer, in seiner Sorge um den Herzog für das Gejohle und Waffengeklirr einer ausbrechenden Rebellion gehalten hatte, waren in Wirklichkeit Freudenrufe und Schwerter, die im Beifall auf Schilde geschlagen wurden.
    Lucien ließ die Waffe sinken, steckte sie dann eilig in die Scheide und machte eine auffordernde, weit ausholende Geste. »Alles in Ordnung! Wir haben uns geirrt! Holt Wasser! Löscht die Brände!«
    Aber es war zu spät. Westminster stand in Flammen. Und während der englische und normannische Adel in der Klosterkirche seinen neuenKönig feierte, brannte das kleine Städtchen außerhalb Londons, das seit den Tagen des frommen König Edward der Sitz des englischen Königtums war, fast bis auf das letzte Haus nieder, verwandelte sich in eine Wüstenei aus Asche, Ruß und Schlamm. Als die letzten Brände verloschen, blieb der Geruch von brennendem Holz, Nässe und Fäulnis zurück.
    Etienne fitz Osbern stand mit Cædmon zusammen auf dem Vorplatz, sah mitleidig die sinnlosen, verzweifelten Versuche der kleinen Handwerker und Kaufleute, ihre Häuser zu retten, und blickte dann mit einem finsteren Stirnrunzeln zu Lucien de Ponthieu hinüber, der so tat, als ginge diese Feuersbrunst ihn überhaupt nichts an, und mit mehr Umständlichkeit als nötig seine Männer zum Abmarsch formierte.
    Etienne seufzte tief. »Jesus, wie ich ihn verabscheue! Und dieser Mann wird mein Schwager, Gott helfe mir.«
    Cædmons Kopf fuhr herum.
    Etienne hob unbehaglich die Schultern. »Sag bloß, das weißt du nicht? Sobald wir nach Hause kommen, werde ich Aliesa de Ponthieu heiraten. Wir sind verlobt, seit ich vier Jahre alt war.«
    Cædmon wandte den Blick ab und starrte auf das lichterloh brennende Dach des Mietstalls.
    Etienne legte ihm kurz die Hand auf den Arm. »Gott, du bist kreidebleich, Junge. Es ist auch wirklich kein schöner Anblick. Komm, kehren wir Luciens Werk den Rücken und feiern wir unseren König. Komm schon. Ach ja, und fröhliche Weihnachten, Cædmon.«

2. BUCH
    Oftmals rühmte ich William ob all seiner Tugenden, doch kann ich ihn nicht preisen für diese Tat, die Verderben über Gerechte und Frevler zugleich brachte durch die entsetzliche Hungersnot. Und so will ich all das Leid des schwer geprüften Volkes beklagen, statt seine Schandtat durch lügnerische Schmeicheleien zu verhehlen. Gewiß sollte dies barbarische Morden nicht ungestraft bleiben.
    Ordericus Vitalis, Historia Ecclesiastica
Winchester, Mai 1069
    »Und was geschah, nachdem der große König Alfred die Dänen besiegt habste?« fragte Richard.
    »Hatte, du Hornochse«, verbesserte Rufus.
    »Hatte, du Hornochse«, stimmte Cædmon zu.

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