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Das zweite Königreich

Das zweite Königreich

Titel: Das zweite Königreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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Platz, Madame«, sagte er leise. »Und erlaubt mir, mich für die Ungeschicklichkeit des Jungen zu entschuldigen.«
    »Ich vergebe Euch, aber nicht ihm«, gab sie kühl zurück. »Dieses Kleid war kostbar. Jetzt ist es ruiniert.«
    Cædmon nickte langsam. Er streifte seine Laute mit einem sehnsüchtigen Blick, ehe er sich an seinen Vetter wandte, der zwei Plätze entfernt an Maries Seite saß.
    »Alfred, würdest du mir einen Gefallen tun?« fragte er auf englisch. »Sicher.«
    »Geh zu Ine. Mach ein finsteres Gesicht und schleif ihn hier raus. Und wenn ihr draußen seid, gib ihm den guten Rat, sich in Zukunft von meiner Braut fernzuhalten.«
    Alfred machte seiner Rolle Ehre. Alle, die ihn mit langsamen, schweren Schritten auf Ine zugehen sahen, tauschten verwunderte Blicke, denn eine so sturmumwölkte Miene zeigte der Steward höchst selten. Er packte den Jungen roh am Arm, knurrte irgend etwas, das niemand verstand, und stieß ihn Richtung Tür.
    Ine senkte den Kopf. Niemand hätte ahnen können, daß es ein breites Grinsen war, das er zu verbergen suchte. Denn was Alfred zu ihm gesagt hatte, war: »Dieser gottverfluchte französische Wein schmeckt wie Pferdepisse. Laß uns ein Bier trinken gehen …«
     
    Cædmon saß vollständig bekleidet beim Licht einer kleinen Talglampe auf seinem Bett, als die Tür sich öffnete. Erwartungsvoll sah er auf. Aber nicht Gytha war es, die ihn zu dieser späten Stunde aufsuchte, sondern Marie de Falaise.
    Cædmon kam eilig auf die Füße, aber ehe er irgend etwas sagen konnte, eröffnete ihm seine Mutter:
    »Wenn du diesen hohlköpfigen, eiskalten Engel heiratest und hierher bringst, gehe ich in ein Kloster.«
    Es war eine Ankündigung, mit der er seit Jahren rechnete, darum war er nicht wirklich überrascht. Er hob gleichmütig die Schultern. »Das ist dir unbenommen, Mutter. Im Gegensatz zu mir.«
    »Was soll das heißen?« fragte sie barsch.
    »Es soll heißen, daß ich vermutlich auch lieber ins Kloster ginge, als sie zu heiraten, aber ich werde nicht gefragt.«
    Marie war so verblüfft, daß sie neben ihm aufs Bett sank und für den Augenblick einmal vergaß, daß sie ihn für den Tod seines Vaters verantwortlich machte. »Du … du willst sie nicht?«
    Er wandte den Blick ab und rieb sich das Kinn an der Schulter. »Wiekannst du glauben, sie könnte mir irgend etwas bedeuten? Was denkst du nur von mir?« fragte er leise.
    »Ich weiß es wirklich nicht, Cædmon. Du bist mir seit Jahren ein Rätsel. Du bist so normannisch geworden, daß ich dich überhaupt nicht mehr kenne.«
    »Das stimmt nicht. Und auch wenn du es noch so oft behauptest, wird es nicht wahr. Ich bin Engländer. Aber England ist normannisch geworden.«
    Sie dachte eine Weile darüber nach, äußerte sich aber nicht dazu. »Also William zwingt dich, sie zu heiraten?«
    »Ja.«
    »Wieso?«
    »Ich bin nicht sicher. Um mich zu bestechen vielleicht.«
    »Ist sie denn so viel wert?«
    Er nickte. »Ein Gut in Sussex, ein Haus in London, fünfzig Pfund und ein bißchen Kleinkram. Silberbecher und so weiter.«
    Marie gab einen verächtlichen Laut von sich. »Ich sehe, Ralph Baynard läßt es sich allerhand kosten, seinem Töchterchen einen Mann zu kaufen.«
    »Du kennst ihn?« fragte Cædmon verblüfft.
    »Ich kenne sie alle, Cædmon. Bist du sicher, daß deine Braut Jungfrau ist?«
    Er stand abrupt auf, brachte ein paar Schritte Abstand zwischen sie, verschränkte die Arme und wandte sich wieder zu ihr um. »Ich habe noch nicht nachgesehen.«
    Marie zuckte ungerührt mit den Schultern. »Sei nicht so zimperlich. Es ist eine wichtige Frage. Ich bin sicher, sie ist unkeusch. Wie sie Odric angesehen hat …«
    »Er trägt die Haare kurz. Vermutlich dachte sie, er sei Normanne.« Marie lächelte ein untypisch süffisantes Lächeln. »Er ist der bestaussehende Mann in deiner Halle, Cædmon. Deswegen konnte sie die Augen nicht von ihm abwenden.«
    Er ging ruhelos vor dem Bett auf und ab. »Das ist mir gleich! Ich mache mir eher Sorgen darüber, ob sie ein Herz hat.«
    »Nun, ich habe keine Einwände gegen deine Prioritäten, mein Sohn. Ich denke lediglich, wenn du sie nicht willst, solltest du die Frage ihrer Keuschheit nicht so bedenkenlos außer acht lassen. Und Ralph Baynards Angebot nicht so ohne weiteres akzeptieren.«
    Cædmon blieb abrupt stehen und sah seiner Mutter in die Augen. »Ich glaube, ich wäre dir sehr dankbar, wenn du mir das ein bißchen näher erklärst …«

Winchester, Oktober 1070
    Wie Cædmon

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