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Das zweite Königreich

Das zweite Königreich

Titel: Das zweite Königreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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Arm bis zum Handgelenk hinab und klammerte sich fest. Die scharfen Krallen drangen mühelos durch den dünnen Wollstoff.
    Cædmon schnitt eine Grimasse. »Im Grunde kann es nur besser werden.«
    »He, du, Hinkefuß! Bist du Cædmon of Helmsby?«
    Cædmon biß die Zähne zusammen, ehe er aufsah. Ja, Narbenfratze, genau der bin ich, hätte er antworten können, aber er ließ es lieber sein. Der Mann vor ihm trug ein Kettenhemd aus geschwärzten Eisenringen, einen Helm, Pike, Wurfspieß und Streitaxt und sah alles in allem so aus, als verschlinge er morgens zum Frühstück gern ein, zwei angelsächsische Jünglinge, mit oder ohne Hinkefuß.
    »Ja.«
    »Dann geh an Bord. Los, los, beweg dich. Da vorn, das erste Schiff.« Cædmon stand auf und folgte den Männern, die sich zu dem ersten und größten der Schiffe begaben, mit dem auch Earl Harold selber segeln würde. Kurz vor der Wasserlinie zogen die Männer Schuhe und Hosen aus, rafften ihre knielangen Übergewänder und wateten in die Brandung. Niemand machte Anstalten, Cædmon den Falken abzunehmen. Also hielt er Gewand und Umhang mit einer Hand hoch, so gut er konnte, und fand sich damit ab, daß er mit triefnassen Schuhen in die Fremde ziehen würde.
     
    Der Wind stehe günstig, hatten die Seeleute zuversichtlich versprochen. Und tatsächlich glitten die Schiffe mit erstaunlicher Schnelligkeit durchs graugrüne Wasser. Gischt schäumte zischend am Bug auf. Wenn Cædmon zurücksah, konnte er immer die übrigen vier Schiffe sehen, die fächerförmig hinter ihnen folgten wie ein Gänseschwarm seinem Leitvogel, doch die grünen, welligen Hügel und kreideweißen Felsen der englischen Küste verschwanden bald. Cædmon spürte eine eigentümliche Enge in der Brust, als hielten Bärenpranken ihn gepackt und drückten ihm die Luft ab. Er fühlte sich entwurzelt, abgeschnitten von allem, was vertraut und sicher war, verbannt.
    »Sieh nicht zurück, mein junger Freund, die Zukunft Englands liegt vor uns«, raunte eine samtweiche Stimme in sein Ohr.
    Cædmons Kopf schnellte hoch. »Was?«
    Er fand sich Auge in Auge mit einem jungen Mönch, der so lautlos zu ihm an die Reling getreten war, daß Cædmon nichts davon bemerkt hatte. Er war ein hagerer, recht kleiner Mann; er mußte ein wenig zu Cædmon aufsehen. Auf den ersten Blick wirkte er nicht viel älter als Dunstan, aber die Tonsur in seinem dunkelblonden Schopf besagte, daß er die Gelübde abgelegt hatte. Der Blick seiner dunklen Augen war von einer seltsam entrückten Heiterkeit, die Cædmon schlagartig an Guthric erinnerte.
    »Was sagtet Ihr, Bruder?«
    »Du hast gehört, was ich gesagt habe. Aber hast du auch verstanden, was ich meinte? Und möglicherweise noch wichtiger ist die Frage: Habe ich verstanden, was ich meinte? Wer weiß.« Die beinah schwarzen Augen funkelten spitzbübisch. »Mein Name ist Oswald.«
    »Cædmon.«
    »Oh, ich weiß, ich weiß. Ein ebenso heiliger Name wie der meine. Und wie rufst du deinen gefiederten Begleiter?«
    Cædmon sah stirnrunzelnd auf den Falken auf seinem Handgelenk. »Ich weiß es nicht, Bruder. Er wurde mir in aller Hast anvertraut. Man hat mir seinen Namen nicht gesagt.«
    »Dann sollten wir einen für ihn finden. Was hältst du von Guillaume?«
    Cædmon wiederholte das eigenartige Wort tonlos, erprobte es auf seiner Zunge. »Was für ein Name soll das sein?«
    Bruder Oswald betrachtete ihn einen Moment ernst. »Ein Name, von dem wir noch viel hören werden, glaub mir. Es bedeutet William.« »Oh.«
    »Man raunte in mein haariges Segelohr, du sprichst Normannisch?« Cædmon nickte. »Meine Mutter stammt aus der Normandie. Sie lebt schon lange in England«, fügte er hastig hinzu, als gelte es, einen Makel vom Ruf seiner Mutter zu tilgen, »aber sie hängt an ihrer Muttersprache. Sie hat sie mir beigebracht, meinen Brüdern und meiner Schwester auch.«
    »Sieh an.« Bruder Oswald legte seine feingliedrigen Hände um die Reling und sah in die aufspritzenden Fluten hinab. »Dein Vater war mit König Edward im Exil?«
    Cædmon wiegte den Kopf hin und her. »Mein Großvater, genaugenommen. Mein Vater kam in der Normandie zur Welt. Er war nochjung, als er mit dem König nach England zurückkam und Thane of Helmsby wurde … Warum wollt Ihr das alles wissen?« fragte er plötzlich argwöhnisch.
    Bruder Oswalds Gesicht erstrahlte in einem entwaffnenden Lächeln voller Übermut. »Oh, meine Confratres haben mich geschickt, dir auf den Zahn zu fühlen. Sie sind zu Tode beleidigt, daß

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