Das zweite Königreich
mir leid, Bruder.«
»Nein, nein, versteh mich nicht falsch. Er war sehr gut zu mir. Eine Erlösung nach der Zeit auf dem Schiff. Ich hätte es nicht so unerträglich gefunden, bei ihm zu bleiben. Prinz Knut ist ein guter Mann, glaub mir.«
»Laß das nicht die Leute von York hören.«
Eadwig lächelte freudlos. »Ja. Ein wilder Krieger. Aber ein sanfter Liebhaber.«
»Und das also hat Richard gewußt und gedroht, es dem König zu offenbaren, wenn Rufus sein Wissen über Aliesa und mich preisgibt?«
»So war es. Rufus hat natürlich den Mund gehalten. Er zittert davor, daß der König es herausfinden könnte. Rufus wäre ein für allemal erledigt.«
»Ja, ganz bestimmt.«
»Und nachdem Richard tot war …«
»Ja.«
»Ich habe ihn angefleht, es nicht zu tun. Und er hat zu mir gesagt, er wolle noch einmal darüber nachdenken. Dann hat er es doch getan, ohne mich vorzuwarnen. Es war sehr schwer für ihn, weißt du. Er hängt so sehr an dir. Aber er fand, daß er dir im Grunde nichts schuldet, denn du hast Richard immer vorgezogen.«
»Ich fürchte, so war es. Was ist mit dir? Kannst du Rufus verzeihen? Ich könnte mir denken, daß deine Position bei Hofe auch nicht einfacher geworden ist.«
Eadwig seufzte tief und hob die Schultern. »Nein. Aber ich habe ihm trotzdem verziehen. Ich verzeihe ihm alles, Cædmon. Das weiß Rufus ganz genau, und er nutzt es schamlos aus.«
Die Tür flog krachend auf, und eine der Wachen trat über die Schwelle. »Das war lange genug. Verschwinde, Bürschchen.«
Eadwig sprang auf die Füße. »Ich komme wieder, Cædmon. Gibt es irgendwas, das ich dir bringen kann? Deine Laute?«
Cædmon schüttelte den Kopf. »Nichts. Vielleicht noch eine Decke. Und richte Lucien und Beatrice meine besten Wünsche zur Verlobung aus.«
Eadwig verdrehte die Augen. »Nein. Lieber nicht.«
Dover, Mai 1076
Bischof Odo saß mit gerunzelter Stirn über ein Stück Pergament gebeugt, welches das päpstliche Siegel trug. Er sorgte sich um die zunehmende Spannung zwischen Gregor und dem jungen Heinrich; er fragte sich, welche Konsequenzen es wohl für England und die Normandie hätte, wenn der deutsche König in diesem Machtkampf obsiegte und den Papst absetzte. Andererseits stellte sich die Frage, ob ihnen wirklich damit gedient wäre, wenn Gregor den längeren Atem bewies und gestärkt daraus hervorging. Der Papst war schon jetzt selbstbewußt genug…
Odo sah zerstreut auf, als es an der Tür klopfte. »Was gibt es denn?« fragte er unwirsch.
Ein Wachsoldat trat ein und verneigte sich. »Eine Dame, die Euch zu sprechen wünscht, Monseigneur.«
Odos Gesicht hellte sich auf. Er wartete seit Wochen auf ein ermutigendes Signal einer gewissen jungen Dame. Es war vielleicht ein wenig forsch, daß sie gleich herkam, aber bitte, der König war außer Landes, also wen sollte es aufregen?
»Wer ist es denn?« fragte er der Ordnung halber.
»Hyld of Helmsby. Engländerin«, fügte der Soldat unnötigerweise hinzu und schniefte vielsagend.
Das war das letzte, womit der Bischof gerechnet hatte, aber er überwand seine Verblüffung schnell, und mühelos verdrängte er seine amourösen Wünsche und ordnete seine Gedanken.
»Sie ist die Schwester des Thane of Helmsby, also erweis ihr gefälligst Respekt«, fuhr er den Soldaten barsch an und fügte gemäßigter hinzu: »Führ sie herein.«
Er verspeiste eine frühe Erdbeere und rümpfte die Nase über ihre Säure, ehe er sich von dem brokatgepolsterten Sessel erhob und der Besucherin entgegentrat.
Der Wachsoldat öffnete die Tür, aber ehe er seine formelle Ankündigung loswerden konnte, fegte eine junge Frau an ihm vorbei in den geräumigen Saal, sah sich flüchtig um und fixierte Odo mit ihren tiefblauen Augen.
»Mylord Bischof?«
Er lächelte und untersagte sich, in diesen blauen Augen zu versinken, die Cædmons so verblüffend ähnlich waren. »Madame. Das ist eine … unerwartete Freude.«
Sie wedelte seine normannische Galanterie ungeduldig beiseite, wartete, bis sie mit dem Bruder des Königs allein war, und kam dann ohne Umschweife zur Sache. »Mein Bruder sagte mir, Ihr wollt ein endloses Monstrum von einem Teppich?«
Odo verbarg ein amüsiertes Grinsen. »Hat er es so gesagt? Nun, im Prinzip ist es richtig, ja.«
Hyld nickte, verschränkte die Arme und sah sich mit offenkundiger Mißbilligung in dem prunkvoll eingerichteten Gemach um. »Ihr Normannen lebt nicht schlecht auf unsere Kosten.«
Odo räusperte sich pikiert. »Nun, Madame, ich bin
Weitere Kostenlose Bücher