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Das zweite Königreich

Das zweite Königreich

Titel: Das zweite Königreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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praktisch Kinn an Kinn mit ihm. Der volle, rote Mund unterhalb des Nasenschutzes verzog sich zu einer Grimasse des Schreckens, dann sank der Raufbold auf die Knie, senkte den Kopf und rührte sich nicht mehr. William stand ebenso reglos vor ihm. Dieser eigentümliche Ruhepol blieb nicht lange unbemerkt. Nach und nach wurden alle, die in die Schlägerei verwickelt waren, darauf aufmerksam und stellten ihr wüstes Balgen ein. Manche standen vornübergebeugt und keuchten. Andere tupften sich mit dem Ärmel über blutende Gesichter oder drückten die Hand auf ihre Blessuren. Und alle sahen kleinlaut auf ihre Fußspitzen.
    Schließlich kehrte Ruhe ein, eine so vollkommene Stille, daß man den Regen plätschern hörte.
    »Wer ist der Offizier der Wache?« fragte William leise.
    »Hamo fitz Hugh, Sire«, antwortete Rufus.
    »Hol ihn her«, befahl der König ohne aufzusehen und sagte dann zu dem Mann, der vor ihm kniete: »Laßt mich Euer Gesicht sehen.«
    Der Angesprochene riß sich den Helm vom Kopf.
    William sah unbewegt auf ihn hinab. »Guillaume fitz Osbern?«
    Cædmon zuckte fast unmerklich zusammen und starrte den fremden Ritter an. Kein Zweifel. Die Ähnlichkeit mit Etienne war unübersehbar. Dieser Mann war der älteste Sohn des einstigen Seneschalls.
    »Ja, Sire. Ich … ich …« Fitz Osbern schluckte sichtlich und senkte den Kopf wieder. »Vergebt mir, Sire.«
    William sagte weder ja noch nein. »Mir war nicht bekannt, daß Ihr hier seid. Wann hattet Ihr die Absicht, mir Eure Aufwartung zu machen?« »Ich bin eben erst eingetroffen, mein König.«
    »So, so. Nun, Ihr habt nicht lange gezögert, auf Euch aufmerksam zu machen. Ich bin froh, daß Euer Vater das nicht erleben muß, Guillaume. Ihr solltet Euch schämen!«
    »Ja, Sire.«
    Rufus kehrte mit dem Offizier der Wache aus der Halle zurück, der sich respektvoll verneigte. »Mein König?«
    William sah zerstreut auf, schien sich einen Moment nicht erinnern zu können, wieso er nach ihm geschickt hatte. Dann wies er auf die Wachsoldaten, die ohne großen Erfolg versuchten, zum Tor zurückzuschleichen. »Diese Männer haben ihren Posten verlassen, Hamo. Sorgt dafür, daß sie bestraft werden.«
    Hamo fitz Hugh nickte grimmig. »Sofort, Sire.«
    William blickte wieder auf seinen zerknirschten jungen Verwandten hinab. »Ihr dürft Euch erheben, fitz Osbern. Aber ich verlange eine Erklärung. Wie kam es zu dieser unwürdigen Szene?«
    Guillaume fitz Osbern fuhr sich verlegen mit dem Ärmel über die blutige Lippe, sah sich suchend um und wies dann mit dem Finger auf Eadwig. »Auf dem Weg hierher traf ich Robert Montgomery und ein paar weitere Freunde, Sire«, erklärte er dann. »Als wir in den Hof einritten, hat dieser englische Flegel Montgomery beleidigt. Als der ihn zur Rede stellte, hat der Engländer gekniffen. Er wollte sich verdrücken, ich habe ihn aufgehalten, und da hat dieser dänische Hund da vorn zugeschlagen.«
    »Leif? Eadwig? Was habt Ihr zu sagen?« fragte der König mit deutlich erkennbarer Ungeduld.
    Beide schwiegen beharrlich. Sie wußten, daß ihr Wort gegen das eines fitz Osbern nichts gelten konnte, ganz gleich, was sie sagten.
    Der König nickte knapp und wandte sich an Rufus. »Es sind deine Ritter. Du wirst sie zur Rechenschaft ziehen.«
    Rufus schüttelte ungläubig den Kopf. »Aber Sire, so war es nicht. Ich war doch dabei!«
    Ehe der König etwas erwidern konnte, trat Robert vor, der inzwischen ebenfalls in den Hof hinausgekommen war. Er baute sich vor seinem Bruder auf. »Du willst Guillaume fitz Osbern der Lüge bezichtigen?« fragte er ungläubig. »Bist du auch sicher, daß du weißt, wer er ist?«
    Rufus stieß hörbar die Luft aus, schien mehr verwirrt als verärgert. »Natürlich weiß ich, wer er ist, Robert, und ich will niemanden bezichtigen. Ich sage nur, daß es so nicht war.« Er wandte sich kurz an den jungen, aber mächtigen und hoch angesehenen fitz Osbern. »Ihr irrt Euch, Monseigneur. Eadwig of Helmsby hat Montgomery nicht beleidigt.« »Helmsby?« Fitz Osbern spie den Namen voller Verachtung aus. »Jetzt wundert mich nichts mehr.«
    Der König ließ es sich nicht nehmen, Cædmon, der kreidebleich geworden war, einen boshaften Blick zuzuwerfen, ehe er wieder zu Rufus sah. »Dann sag du mir, was geschehen ist.«
    Der Prinz schilderte mit knappen Worten die Ereignisse, die zu der Schlägerei geführt hatten. »Ich weiß nicht, warum fitz Osbern sich bedroht fühlte«, schloß er, »aber jedenfalls hat er seinen Dolch

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