Das zweite Königreich
mit einem unsicheren Lächeln zu Cædmon und sagte dann impulsiv: »Du hast recht, Gunnild. Auf langen Umwegen, aber hier bin ich. Möge er euch segnen, wie er mich gesegnet hat.«
Früh am nächsten Morgen brachen Aliesa und Hyld mit Odric und Edmund als Begleitung nach Fenwick auf, um Lucien aufzusuchen, und Cædmon blieb mit Zweifeln und von bösen Ahnungen geplagt in Helmsby zurück.
Alfred saß kreidebleich an seiner Seite und gab ein schwaches Wimmern von sich, als Helen ihm eine Schale mit Hafergrütze vorsetzen wollte.
»Nimm das bloß weg«, murmelte er gequält.
In der Halle war es still wie bei einem Begräbnis. Das ist das Schlimme am Met, dachte Cædmon nicht zum erstenmal. Er ist süß und süffig und stimmt selbst den schrecklichsten Wüterich friedlich, aber der Jammer am nächsten Morgen ist unsäglich. Cædmon wußte genau, wie sein Vetter, seine Housecarls und sein Gesinde sich fühlten: als sei ihr Magen randvoll mit Galle und ihr Kopf so groß wie die neue Kirche von Helmsby. Onkel Athelstan war nicht einmal aufgestanden.
»Deine Frau ist fort?« fragte Alfred matt.
Cædmon nickte und hielt ihm einen Steinguttopf unter die Nase. »Ein wenig Schmalz, Vetter?«
Alfred wandte stöhnend den Kopf ab, den er gleich darauf mit einer schmerzlichen Grimasse in den Händen vergrub. »Hab Erbarmen, Thane …«
Cædmon stellte den Schmalztopf grinsend beiseite.
Alfred riß sich zusammen und richtete sich auf. »Hör zu, Cædmon. Es gibt eine wichtige Sache, die ich dir sagen muß, aber in den vergangenen Tagen war es unmöglich, dich allein zu erwischen.«
Cædmon nahm einen Zug aus seinem Becher. »Jetzt bin ich allein.« »Ja. Versteh mich nicht falsch. Sie ist eine wunderbare Frau, das habe ich dir damals schon gesagt. Aber bei dieser Sache war ich nicht sicher … Sie ist Normannin, und ihr Bruder ist der Sheriff …«
Cædmon sah ihn aufmerksam an. »Ich bin ganz Ohr, Alfred.«
Der Steward atmete tief durch und rang sichtlich um Mut. »Es ist … eine vertrackte Geschichte. Aber brüll mich nicht an, Cædmon, ja? Nicht heute. Schlag mir morgen den Schädel ein.«
»Du hast mein Wort.«
Alfred deutete ein Nicken an und schloß einen Moment die Augen. »Es geht um diesen verfluchten Bastard Hereward.«
Cædmon stieß hörbar die Luft aus. »Gott sei Dank, Alfred«, sagte er leise. »Ich fing ernstlich an zu befürchten, du wolltest es mir nicht sagen.«
Alfred ließ die stützende Hand von seiner Stirn sinken. »Du weißt es?«
»Daß er in Metcombe ist und der Müller ihn versteckt, ja. Ist er allein?« »O ja. Hereward ist so allein wie ein Mann nur sein kann. Cædmon, denk nicht, ich habe Vorbehalte gegen deine Frau, aber ich war einfach nicht sicher …«
Cædmon winkte beruhigend ab. »Das verstehe ich. Und vielleicht ist es sogar wirklich besser, daß sie im Augenblick noch nichts davon weiß, denn sie ist zu ihrem Bruder geritten, und es hätte sie sicher belastet, dieses Geheimnis mit dorthin zu nehmen.« Er brach ein Stück Brot ab, steckte es in seinen Beutel, dann leerte er seinen Becher. »Ich reite nach Metcombe.«
»Ich komme mit«, verkündete Alfred mit grimmiger Entschlossenheit. Cædmon schüttelte grinsend den Kopf und legte ihm die Hand auf die Schulter. »Bleib lieber hier und schlaf dich aus.«
»Cædmon, du solltest auf keinen Fall allein hinreiten«, warnte der Steward eindringlich. »Hereward mag am Ende und von allen Getreuen verlassen sein, aber er ist immer noch gefährlich. Wie ein Bär in der Falle. Nimm ein paar der Männer mit, ich bitte dich.«
Cædmon überdachte den Rat einen Augenblick und schüttelte dann den Kopf. »Wenn ich die Housecarls mitnähme, könnte es dazu kommen, daß Engländer im Streit um einen Engländer Engländer töten, weil ein normannischer Sheriff und ein normannischer König ihnen im Nacken sitzen. Und das will ich nicht.«
Alfred sah ihn aus blutunterlaufenen Augen unglücklich an und nickte unwillig. »Aber sei vorsichtig, Thane. Hengest glaubt, du seiest schuld an allem, was Hereward geschehen ist.«
»Und in gewisser Weise hat er recht. Ich gebe schon auf mich acht, keine Bange.«
Ehe der Uferpfad den Wald verließ und auf die Dorfwiese von Metcombe einmündete, saß Cædmon ab und band Widsith an eine junge Birke. Der scharfe Ritt hatte das wackere normannische Schlachtroß erschöpft, und Cædmon mußte sich eingestehen, was er eigentlich nicht wahrhaben wollte: Widsith wurde alt. Lange würde er ihn nicht mehr
Weitere Kostenlose Bücher