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Das zweite Königreich

Das zweite Königreich

Titel: Das zweite Königreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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zu und versuchte ohne den geringsten Erfolg, die Hoffnung niederzuringen, die plötzlich in ihm aufkeimte, und die ihm vorgaukeln wollte, ihm seien Flügel gewachsen. »Nichts ist deine Schuld. Wie kommst du hierher? Was tust du hier?« Odric hatte den Kopf gesenkt und wischte sich verstohlen über die Augen. Cædmon rang um Geduld, füllte einen Becher mit Bier und reichte ihn dem jungen Mann. »Hier, trink. Und erzähl. Leise.«
    Als Odric auf der Isle of Wight an Land gegangen war, hatte der Kapitän des Schiffes ein paar Soldaten befohlen, ihn zu ergreifen und fortzuschaffen, berichtete er wispernd. Er kam nie zurück zu dem Gut, wo die Truppe zusammengezogen wurde, sondern war genau wie Cædmon das ganze letzte Jahr eingesperrt gewesen. Vor ein paar Tagen war er geflohen. Ein Fischer hatte ihn mit seinem Boot übergesetzt, kostenlos, nur um den Normannen ein Schnippchen zu schlagen, wie er sagte. Odric hatte ein Pferd gestohlen, war nach Canterbury zu Guthric geritten und hatte ihm das wenige erzählt, was er wußte.
    »Guthric hat zwei und zwei zusammengezählt und sagte, er könnte sich vorstellen, wohin Ihr so spurlos verschwunden wäret. Wir sind hergekommen,haben uns in den Schenken ein bißchen umgehört, einen der Soldaten des Earl in einen dunklen Winkel gelockt, und ich hab mir seine Uniform … geborgt und mich hier eingeschlichen.« Er drückte Cædmon den Helm in die Hand, löste den Umhang, der das Emblem der Burgwache trug, und zog das Kettenhemd über den Kopf. »Hier. Zieht die Sachen an. Guthric wartet in der Stadt auf Euch, ich erklär’ Euch den Weg.«
    »Nein, Odric. Entweder wir gehen zusammen oder gar nicht.«
    Odric schüttelte wild den Kopf. »Das ist ausgeschlossen. Nur einer kann raus, ohne diese Verkleidung hier haben wir keine Chance. Geht, Thane, ich bitte Euch. Guthric sagt, sobald Ihr frei seid, wird es nur ein paar Tage dauern, bis Odos Plan aufgedeckt ist. Solange werd’ ich’s schon hier aushalten.« Er wies grinsend auf das Abendessen. »Vor allem bei der Beköstigung.«
    Cædmon rührte sich nicht. Wenn entdeckt würde, wer ihm zur Flucht verholfen hatte, dann war es ganz gewiß kein Festmahl, das Odric winkte. »Warum hat Guthric keine Soldaten mitgebracht? Dem König keinen Boten geschickt?«
    »Es ging nicht. Bitte, Thane, Ihr müßt jetzt wirklich gehen. Guthric wird Euch alles erklären. Aber Ihr müßt Euch beeilen.«
    Cædmon zog die Sachen an, die sein Housecarl ihm anreichte, schlich zur Tür und lauschte. Dann nickte er Odric zu. »Leg dich mit dem Gesicht auf den Boden. Versuch, möglichst tot auszusehen. Wenn ein paar Beine in deine Nähe kommen, werd wieder lebendig und bring sie zu Fall. Es sei denn, es sind meine.«
    »Thane …«, flehte Odric verzweifelt.
    »Tu, was ich dir sage!« zischte Cædmon, und Odric tat, was er seit Jahren getan hatte, was natürlich für ihn war und wobei er sich am sichersten fühlte: Er gehorchte.
    Als er reglos auf der Erde lag, öffnete Cædmon die Tür und rief: »He, könnt ihr mir mal helfen? Ich glaub’, hier stimmt was nicht!«
    Ohne besondere Eile kamen zwei normannische Soldaten aus der nahen Wachkammer herbeigeschlendert, einer hielt einen Becher in der Hand. Cædmon ließ sie über die Schwelle treten, stieß dann die Tür zu, riß dem, den er als ersten zu fassen bekam, den Helm vom Kopf und schlug ihn mit der geballten Rechten auf die Schläfe. Der Mann sackte lautlos in sich zusammen, als der zweite sich von hinten auf Cædmon stürzte. Dieser bekam einen Tritt in die Kniekehle, taumelte gegen dieWand, und vermutlich hätte es nicht gut für ihn ausgesehen, aber dann griff Odric ins Geschehen ein, und im Handumdrehen lag auch der zweite Normanne reglos am Boden.
    Cædmon machte eine einladende Geste. »Siehst du, so einfach ist das. Such dir einen von beiden aus, ich denke, der Schwarzhaarige hat eher deine Statur …«
    In Windeseile war auch Odric mit der Uniform der Burgwache bekleidet, und unbehelligt hasteten sie den niedrigen Gang entlang, die Treppe hinauf und hinaus in den Hof.
    Es war fast dunkel. Cædmon blieb stehen, legte den Kopf in den Nacken und entdeckte ein paar Sterne am wolkenlosen Himmel. Ein sanfter Abendhauch strich über sein Gesicht. Er trug das eigentümliche, vertraute Gemisch aus Seebrise und Hafengestank. Cædmon atmete ein paarmal tief durch.
    Odric sah sich nervös um, mahnte aber nicht zur Eile. Es war erst fünf Tage her, daß er genauso unter dem Abendhimmel gestanden hatte. Dann

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