Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das zweite Königreich

Das zweite Königreich

Titel: Das zweite Königreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
Vom Netzwerk:
Besuch in seinem Quartier, seine anschließende Konfrontation mit Odo und deren Ausgang.
    Sie schüttelte langsam den Kopf. »Ich kann es immer noch nicht begreifen. Er war jahrelang mein Beichtvater. Er war immer unser Freund. Und er ist in den letzten Monaten dreimal bei mir gewesen, um mir Trost zu spenden. Wie kann ein Mann so falsch sein?«
    Cædmon strich über ihre Oberarme und Schultern. »Oh, ich bin sicher, er wollte dir Trost spenden. Vermutlich hatte er ein wirklich schlechtes Gewissen dir gegenüber. Was hat er überhaupt gesagt? Wie hat er erklärt, daß ich in Dover … abhanden gekommen bin?«
    »Als du ein paar Tage fort warst, schickte der König einen Boten zu Odo, um zu fragen, wo du bleibst. Und der Bischof tat ganz verwundert und unschuldig und berichtete, du seiest gleich am nächsten Morgen nach Winchester zurückgeritten. Der König hat dich suchen lassen. Tagelang.«
    »Wie schmeichelhaft …«
    »Rufus und Eadwig fanden dein Pferd im Neuen Forst. Wir dachten, Banditen hätten dich überfallen. Doch William wollte nichts davon hören, er sagte, du seist kein Mann, der einfach so unter die Räuber fällt. Und Eadwig meinte, es wären seltsame Banditen, die ein kostbares Pferd zurücklassen. Aber …« Sie wischte sich mit dem Handrücken über die Augen. »Du meine Güte, sieh mich an. Entschuldige, Cædmon. Es ist die Erleichterung, nichts weiter. Es war eine meiner finsterstenStunden, als sie dein Pferd reiterlos zurückbrachten. Doch ich habe nie geglaubt, daß du tot bist.«
    Er konnte sich vorstellen, wie es für sie gewesen war. Die Angst, die Ungewißheit und die lauernden, hämischen Blicke derer bei Hofe, die glaubten, sie bekomme nur, was ihr zustand. Er küßte sie wieder, gierig diesmal, im wahrsten Sinne lustvoll, um sie auf andere Gedanken zu bringen und um anzudeuten, daß er nichts dagegen hätte, sie hier und jetzt auf den festgestampften Lehmboden hinabzuziehen und sie zu lieben, Kirche oder nicht.
    Sie lachte atemlos, als ihre Lippen sich voneinander lösten, lehnte die Stirn an seine Schulter und fragte: »Guthric sagt, du mußt noch heute nacht fort?«
    »Guthric scheint mit der gleichen Selbstverständlichkeit über mich zu verfügen wie der König«, erwiderte er bissig. »Ich gehe nirgendwohin. Ich hab genug, wirklich.«
    Mit einem diskreten Räuspern trat Guthric aus dem Schatten und kam auf sie zu. Cædmon dachte flüchtig daran, daß Odo einmal gesagt hatte, Guthric habe ein Talent, unsichtbar zu sein und darum alles zu hören, was nicht für seine Ohren bestimmt war.
    »Cædmon, du mußt gehen«, sagte sein Bruder leise, aber beschwörend. »Ich kann dich verstehen, wirklich, aber dies ist unsere verzweifeltste Stunde. Wenn der König seinen Bruder nicht aufhält, dann wird es eine Katastrophe geben. Odo kann jetzt jeden Tag in See stechen, und das müssen wir um jeden Preis verhindern.«
    »Ich weiß doch noch nicht einmal, was er vorhat«, wehrte Cædmon ab.
    »Aber ich.«
    »Dann fahr du doch zu William.«
    »Mir wird er nicht glauben. Es ist zu … monströs.«
    Cædmon raufte sich die Haare und holte tief Luft. »Was ist es?«
    Guthric antwortete nicht gleich. Er lehnte sich mit einer Schulter an einen steinernen Pfeiler, sah erst Aliesa und dann Cædmon an und erklärte: »Odo glaubt, er sei auserwählt, Papst zu werden.«
    Sie schwiegen betroffen.
    »Als er vor vier Jahren zum erstenmal in Rom war, hat ein Wahrsager prophezeit, der nächste Papst werde den Namen Odo tragen«, fuhr Guthric fort.
    »Ich bin sicher, das hat ihn sehr erfreut«, warf Cædmon höhnisch ein.»Das glaube ich auch. Bei seiner nächsten Pilgerfahrt in die Ewige Stadt hat der Bischof dort einen Palast erworben, prunkvolle Feste für den römischen Adel gegeben und viele Freundschaften geschlossen. All das haben wir gewußt und mit einiger Besorgnis beobachtet, aber Lanfranc sagte zu Recht, daß niemand Odo hindern könne, der Erfüllung dieser Weissagung mit legitimen Mitteln ein wenig nachzuhelfen. Immerhin könnte uns Schlimmeres passieren, als einen Normannen auf dem Stuhl Petri zu haben. Kein Papst lebt ewig, nicht einmal Gregor, und es kann nicht schaden, an die Zukunft zu denken.«
    Guthric legte eine bedeutungsvolle Pause ein. Cædmon schwieg trotzig, doch Aliesa fiel ihm unwissentlich in den Rücken, als sie gespannt fragte: »Aber?«
    »Seit zwei oder drei Jahren hat Odo allem Anschein nach einen unstillbaren Geldbedarf. Er hat seine Grafschaft zunehmend ausgeplündert, hat

Weitere Kostenlose Bücher