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Das zweite Königreich

Das zweite Königreich

Titel: Das zweite Königreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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für seinen Bruder England erobert und verwaltet hatte. So mancher senkte den Blick.
    Cædmon nicht. Offen sah er in die schwarzen Augen, gelassen sogar und nicht ohne Genugtuung.
    Der König verschränkte die Arme vor der massigen Brust. »Ist es wahr, daß du dem Thane of Helmsby und anderen meiner Vasallen ihre Ritter gestohlen hast, Männer, die in meiner Armee dienten, um eine eigene Streitmacht aufzustellen?«
    Odo räusperte sich. »Ja.«
    »Und ist es wahr, daß du diese Männer auf einen Eroberungszug nach Rom führen wolltest, ohne meine Zustimmung einzuholen?«
    Odo straffte die Schultern. »Dies ist eine Angelegenheit der Kirche, für die ich Eure Zustimmung nicht brauchte, Sire.«
    William trat noch einen Schritt näher. »Aber meine Soldaten schon, ja?«
    Odo senkte für einen Moment den Blick, sah seinem Bruder aber sofort wieder in die Augen. »Ihr habt mich übergangen. Wieder und wieder. ›Hier, Odo, du bekommst Kent‹, habt Ihr gesagt, ›aber die Macht teile ich lieber mit anderen‹. Die wirkliche Macht. Es war … nicht genug. Ihr wart nicht der einzige, der sich zu Höherem berufen fühlte, Bruder.« Der König lächelte frostig. »Du willst deine frevlerische Revolte gegenden Heiligen Stuhl mit meinen Siegen vergleichen? Meinen heiligen Krieg mit deinem Verrat? Das ist infam!«
    Odo war fast unmerklich zusammengezuckt. »Ich habe niemanden verraten. Euch am allerwenigsten. Ich wollte den Heiligen Stuhl, um mit Euch gemeinsam die christliche Welt zu beherrschen.«
    William hob abwehrend die Hand. »Du hast den Earl of Chester und andere normannische und englische Adlige versuchen wollen, dir nach Rom zu folgen. Sich gegen den Papst und gegen ihren König aufzulehnen. Du bist ein Verräter.« Er sah über die Schulter und sagte zu niemand Bestimmtem: »Nehmt ihn fest und bindet ihn.«
    Keiner rührte sich.
    Odos Gesicht war mit einemmal aschfahl geworden. »Sire … ich bin ein Bischof der Heiligen Kirche. Ihr selbst habt tausendmal gesagt, daß keine weltliche Macht über einen Mann der Kirche richten darf. Ihr könnt mich nicht verhaften. Ihr habt kein Recht dazu.«
    »Ich verhafte nicht den Bischof, sondern den Earl, meinen Vasallen«, entgegnete der König unbeeindruckt, umrundete die Tafel mit wenigen Schritten und packte Odo mit einer seiner Pranken am Ellbogen. »Und wenn niemand sonst es zu tun wagt, mache ich es eben selbst.« Mit diesen Worten riß er die kostbar bestickte Börse von Odos Gürtel, zog mit einem ungeduldigen Ruck die Schnur heraus und band seinem Bruder die Hände auf den Rücken. Den Inhalt der prallen Börse schleuderte er mit Macht ans untere Ende des rechten Seitentisches. »Fort mit euch!« befahl er den Männern, die dort saßen und gierig die herabregnenden Münzen zusammenklaubten. »Hier ist für euch nichts mehr zu tun. Das große Abenteuer ist vorbei, ehe es begonnen hat.«
    Hastig erhoben sie sich von den Bänken und schlichen aus der Halle. Nur drei traten zögernd näher und scharten sich um den Thane of Helmsby. Cædmon begrüßte seine drei Housecarls leise, legte Elfhelm kurz die Hand auf den Arm und murmelte: »Odric ist wohlauf. Er ist zu Hause.«
    Odo hob den Kopf, als er das leise Raunen hörte, und sah zu Cædmon hinüber. »Mein einziger Fehler«, sagte er tonlos, es klang beinah verwundert. »Nur dieser eine, einzige Fehler. Aber ich konnte Euch nicht töten, Cædmon.«
    Cædmon erwiderte seinen Blick stumm, aber er dachte: Das ist es, was dich von William unterscheidet.
    Der König beobachtete diesen wortlosen Austausch mit einem bitteren Hohnlächeln. »Cædmon …«
    Der Thane blickte ihn einen Moment an und atmete tief durch. »Nein, Sire. Ich will nach Hause.«
    Wie üblich ignorierte der König seinen Protest einfach. »Ihr bringt den Earl of Kent nach Rouen und übergebt ihn dem Offizier der Wache. Er soll ihn einsperren und den Schlüssel meinethalben in die Seine werfen.«
    »William«, protestierte Robert flehentlich. »Er ist unser Bruder!«
    Der König sah ihn an. »Ja. Das ist das wirklich Bittere. Erst mein Sohn. Dann mein Bruder. Wer wird der nächste sein?«

4. BUCH
    Wer wollte solche Zeiten nicht beklagen? Und wer könnte so hartherzig sein, solches Unglück nicht zu beweinen? Doch solche Dinge geschehen, weil die Menschen sündig sind und weder Gott lieben noch Rechtschaffenheit. Und die Sünde des Königs war seine übergroße Gier nach Gold und Silber.
    Angelsachsenchronik, 1087
Helmsby, Januar 1086
    Ine kam aus dem Stall,

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