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Das zweite Königreich

Das zweite Königreich

Titel: Das zweite Königreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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ums Herz. Er fuhr seinem Sohn mit der schwieligen Hand durch die rabenschwarzen Locken und wies dann geradeaus. »Siehst du, da ist schon unsere Kirche.«
    Alfred sah mit zusammengekniffenen Augen nach vorn. »Und ganz in der Nähe steigt Rauch auf.«
     
    Das Unwetter hatte alle Leute erschüttert, und auch im Dorf waren zwei Scheunen in Flammen aufgegangen. Mit leeren Händen kamen die Bauern von ihren Feldern zurück, manche weinten. Nichts war übrig. Kein Halm hatte den Hagel überdauert.
    In Metcombe bot sich ihnen das gleiche Bild des Jammers, und sie erfuhren, daß Hengest vom Blitz erschlagen worden war. Als habe Gott sich überlegt, daß er, wenn er schon die ganze Ernte zunichte machte, den Müller eigentlich auch gleich mitnehmen konnte.
    Cædmon fand Gytha mit ihren fünf Söhnen in der Mühle um den Tisch versammelt. Reglos, wie erstarrt saßen sie auf der Bank, die beiden kleineren Jungen weinten leise.
    Als sie Cædmon eintreten sah, stand Gytha langsam auf und machte einen unentschlossenen Schritt in seine Richtung. »Der Wind hatte die Schindeln vom Dach gerissen, und der Hagel kam herein«, erklärtesie. »Ich hab ihm gesagt, es sei zu gefährlich, aufs Dach zu klettern, aber er hat nicht auf mich gehört. Er hat nie auf mich gehört.«
    Zögernd streckte er die Arme aus, und sie kam tatsächlich, legte den Kopf an seine Schulter und schloß die Augen. »Was soll ich nur tun, Cædmon?« flüsterte sie. »Wie kriege ich fünf hungrige Jungen über den Winter ohne einen Mann, der für sie sorgt?«
    »Komm nach Hause«, sagte er ohne zu zögern. »Bring deine Söhne nach Helmsby.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Ihr habt ja selbst nichts.«
    »Es wird schon gehen. Und was würdest du hier anfangen? Du kannst die Mühle nicht alleine weiterführen.«
    » Ich werde es tun«, stieß der Älteste der Jungen wütend hervor. »Und ich werde meine Mutter und Brüder über den Winter bringen, wir brauchen Eure Almosen nicht!«
    »Still, Hengest«, sagte seine Mutter. Aber ihre Stimme klang sanft. Cædmon betrachtete den ältesten Sohn des Müllers. »Wie alt bist du? Zwölf? Dreizehn?«
    »Vierzehn.«
    »Wie auch immer. Du bist zu jung. Ihr kommt nach Helmsby und bleibt dort.«
    Der Junge hatte den Kopf zwischen die Schultern gezogen. »Nein.« Langsam löste Cædmon sich von Gytha und machte einen Schritt auf ihren Sohn zu. Aber sie nahm seinen Arm und hielt ihn zurück. »Nein, bitte. Sei ihm nicht böse. Er … er trauert um seinen Vater, und er fühlt sich für uns verantwortlich. Das mußt du doch verstehen.«
    Cædmon betrachtete den Jungen kühl. »Du wirst tun, was ich sage, und mir nicht noch einmal widersprechen. Nach der nächsten Ernte suche ich einen Müller für Metcombe, der die Mühle führt und dich das Handwerk deines Vaters lehrt, bis du alt genug bist, sie zu übernehmen. Ist das klar?«
    Der junge Hengest starrte noch einen Moment trotzig vor sich hin. Dann nickte er. »Ja, Thane.«
    »Gut. Dann packt euer Zeug zusammen und macht euch auf den Weg.« Gytha begleitete ihn nach draußen. »Deine Frau wird bestimmt nicht begeistert sein, wenn wir kommen«, sagte sie unglücklich. »Es wird sein wie mit deiner Mutter früher.«
    Cædmon legte für einen Augenblick die Hand auf ihre Wange. Gythas Gesicht war verblüht, ihr Haar ergraut, und sie hatte schon ein paarZähne verloren. Sie konnte noch keine vierzig sein, aber sie war eine alte Frau. Doch wenn er ihr in die Augen sah, entdeckte er immer noch das stille, zierliche Mädchen, das nach Rauch und Milch roch, und eine eigentümlich wehmütige Zärtlichkeit überkam ihn.
    »Nein, so wird es nicht sein. Aliesa ist nicht wie meine Mutter, auch wenn sie Normannin ist, du wirst sehen. Außerdem bist du die Mutter meiner Söhne, Gytha, du hast keinen Grund, dich wie eine Bettlerin zu fühlen.«
    Sie lächelte traurig. »Wie geht es ihnen? Ælfric und Wulfnoth?«
    »Prächtig. Du kannst stolz auf sie sein.«
    »Sind sie in Helmsby?«
    Er schüttelte den Kopf. »Sie begleiten den König und die Prinzen in die Normandie.«
    »In den Krieg?« fragte sie erschrocken.
    »Ich bin nicht sicher. Aber ganz gleich, wo er sie auch hinbringt, sie werden auf jeden Fall genug zu essen haben. Ich sorge mich im Moment mehr um das Wohl der Kinder, die hier zu Hause geblieben sind.«
Helmsby, Januar 1087
    Es klopfte leise, und Irmingard steckte den Kopf durch die Tür. »Schläft sie?« fragte sie leise.
    Cædmon sah auf und nickte. »Wie steht es mit Onkel

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