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Das zweite Königreich

Das zweite Königreich

Titel: Das zweite Königreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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verneigten sich tief.
    William ließ die Bratenscheibe, die er in der Hand hielt, achtlos auf seinen vergoldeten Teller zurückfallen, verschränkte die Arme und sah sie ernst an.
    »Gutes und Schlechtes ist mir über euch berichtet worden«, sagte er ernst.
    »Wie ersteres uns beglückt, so sehr bedauern wir letzteres«, antwortete Wulfnoth. Seine Stimme klang seltsam flach und leblos und hatte keinerlei Überzeugungskraft.
    William runzelte die Stirn. »Und was hast du zu sagen, Cædmon of Helmsby?«
    Nichts, dachte er, einer Panik nahe. Mir fällt einfach nichts ein. Bruder Oswalds Ellbogen zwischen seinen Rippen half ihm, die Sprache wiederzufinden. »Ganz sicher wollte ich mich nicht undankbar für Eure Großmut und Gastfreundschaft zeigen, Monseigneur.« Er schluckte trocken. Er fand, das hatte er ziemlich gut gesagt, bedachte man die Umstände.
    »Ich bin froh, daß du meine Gastfreundschaft zu schätzen weißt, Cædmon«, sagte William mit einem kaum wahrnehmbaren Lächeln. »Also laßt uns sagen, wir vergessen diesen unerfreulichen Vorfall. Gott war mir wieder einmal gnädig bei meinen Unternehmungen, und es ist nur billig, daß ich meine Dankbarkeit ihm gegenüber durch Milde euch gegenüber unter Beweis stelle. Und nun geht an eure Plätze und eßt und feiert mit uns.«
    Der Earl of Wessex hatte schweigend zugehört; was er verstanden hatte, konnten sie nur raten. Wulfnoth und Cædmon verneigten sich noch einmal vor William und sahen beide unsicher zu Harold, der fast unmerklich nickte. Sein Blick drückte heftige Verärgerung aus.
    Sie wandten sich ab.
    »Ich habe keinen Platz hier in der Halle«, raunte Cædmon.
    »Macht nichts. Komm mit an meinen, alle können ein bißchen zusammenrücken.«
    Etwa in der Mitte des linken Tisches, ein gutes Stück unterhalb des Salzfasses, machten die Leute für sie Platz. Wulfnoth schlug alle angebotenen Speisen aus, nahm nur einen Becher Wein. Cædmon hingegen aß gierig. Saftigen Braten, zartes Gemüse und schneeweißes Brot bekam man schließlich nicht alle Tage. »Dein Bruder ist sehr wütend auf uns, ja?« fragte er, als sein ärgster Hunger gestillt war.
    Wulfnoth hob leicht die Schultern. »Das sollen wir jedenfalls glauben. In Wirklichkeit hat er vermutlich ein furchtbar schlechtes Gewissen.« Cædmon wischte sich mit einem Stück Brot das Fett von den Fingern, legte es dann beiseite und sah seinen Freund ernst an. »Wieso glaubst du nur, daß er dich noch einmal hier zurückläßt? Herrgott noch mal, er ist dein Bruder . Warum sollte William seinem Schwur nicht glauben, wenn er ihn doch für ehrenhaft genug hält, um ihn in seinen Dienst zu nehmen?«
    Wulfnoth sah ihn an, aber er antwortete nicht, und Cædmon sah etwas in seinen Augen, das ihm schlagartig den Appetit verdarb: tiefe Verzweiflung und … Mitleid.
     
    Als die Halle begann, sich zu leeren, schickte der Earl of Wessex wiederum Bruder Oswald, um sie zu holen. Harold sah sie kommen, stand auf und trat ihnen entgegen. Cædmon hatte fast vergessen, wie hünenhaft er war, welche Ehrfurcht er einem einflößte.
    »Wulfnoth«, begann Harold mit gesenkter Stimme. »Ich sehe, du weißt schon, was ich dir zu sagen habe. Ich muß dich nochmals bitten, hier in Rouen zu bleiben, um das Haus Godwinson an Williams Hof zu vertreten.«
    Wulfnoth zeigte keine Regung. Er sah seinem Bruder lange in die Augen und sagte schließlich ebenso leise: »Wenn William wüßte, wie wenig ich dir wert bin, dann ließe er mich sicher frohen Herzens ziehen. Wer will schon eine wertlose Geisel durchfüttern.«
    Harold fuhr fast unmerklich zusammen. »Ich kann verstehen, daß du erbittert bist. Glaub mir, ich weiß genau, was du empfindest.«
    »Nein, Harold. Du hast keine Ahnung.« Wulfnoth wandte sich abrupt ab und ging, ehe sein Bruder ihn entlassen hatte.
    Cædmon stand allein vor dem mächtigsten Mann Englands und wünschte, er besäße soviel Mut und Trotz wie Wulfnoth. Wenigstens brachte er genug Ungehörigkeit zuwege, um als erster das Wort zu ergreifen. »Mich wollt Ihr auch hierlassen, nicht wahr?«
    »Es ist der Wunsch deines zukünftigen Königs, Junge. Du solltest stolz sein.«
    Doch nicht Stolz war die Todsünde, der Cædmon gerade versucht war sich hinzugeben, sondern Zorn. Es ist wahr, dachte er wie betäubt. Es ist also wirklich wahr. Bis eben hatte er sich noch einreden können, Wulfnoth müsse sich irren, er, Cædmon, sei viel zu bedeutungslos, um als Geisel zu taugen. Jetzt, da er Gewißheit hatte, prasselten die

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