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Das zweite Königreich

Das zweite Königreich

Titel: Das zweite Königreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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ist widerlich, Erik.«
    Er hob gleichmütig die Schultern. »Kaum so widerlich wie der Verrat, den Godwinson an seinem Bruder begehen will. Außerdem war es das einzige, das mir zu tun übrigblieb. Du wirst zugeben müssen, meine Möglichkeiten waren ziemlich beschränkt.«
    Sie ging nicht darauf ein. »Und? Wie stehen die Brüder Godwinson zum König?« wollte sie wissen.
    »Harold verachtet König Edward als frömmelnden Schwächling, dient ihm aber treu, weil er große Stücke auf seine eigene Ehre hält. König Edward vertraut Harold, weil ihm nichts anderes übrigbleibt, aber er kann ihn nicht ausstehen. Statt dessen liebt der König Tostig wie den Sohn, den er nie hatte. Natürlich ist Harold eifersüchtig. Tostig seinerseits würde König Edward für weniger als dreißig Silberlinge an Harald Hårderåde verkaufen, wenn es seinen Absichten dienlich wäre. Und Tostig haßt und fürchtet seinen Bruder. Er ist ein hinterhältiger Feigling und giert nach Macht und Reichtum.«
    Hyld rümpfte die Nase. »Nette Verbündete sucht dein König sich aus.« Erik schüttelte den Kopf. »Tostig kann niemals ein Verbündeter sein, sondern nur ein Werkzeug. Ich sage dir all diese Dinge, damit du verstehst, wie vorsichtig wir sein müssen, Hyld. Tostig Godwinson ist ein sehr gefährlicher Mann.«
    »Ja. Ich glaube, diese Eigenschaft liegt bei den Godwinsons in der Familie.«
     
    Tostig Godwinson, der Earl of Northumbria, hatte neben zahlreichen Landsitzen eine prächtige Halle in York, von wo aus er sein zerfallendes Reich verwaltete und seine schwindende Macht ausübte. Es war ein großes Anwesen, umgeben von einem hohen Palisadenzaun, mit geräumigen, kasernenartigen Quartieren für seine Housecarls, Schreibstuben für die vielen Mönche und Kapläne in seiner Kanzlei, mit Ställenund Vorratshäusern und einem komfortablen, prunkvollen Hauptgebäude. Doch im Innenhof herrschte ein wildes Durcheinander, das nicht gerade von straffer Ordnung sprach: Männer in Kettenhemden und Helmen standen in Gruppen zusammen, hielten Becher in der Hand und debattierten aufgeregt, nicht wenige schienen betrunken. Das Tor der Halle stand offen und war anscheinend unbewacht. Eine Gruppe Schweine war aus dem Stall entkommen und stöberte ungehindert im Morast des Innenhofs nach Leckerbissen. Zwei Mägde hockten auf dem Brunnenrand, ließen die Beine baumeln und sahen den Tieren desinteressiert zu.
    »Kein Wunder, daß hier alles zum Teufel geht«, raunte Erik Hyld zu. Auch sie sah sich mißbilligend um. Ein ebenso merkwürdiges wie heftiges Unbehagen hatte sie beschlichen. Dieser ungehemmte Müßiggang schien so falsch, so eigenartig und so fremd, daß sie am liebsten geflüchtet wäre.
    Der Wachsoldat am Tor hob das Kinn. »Und?« fragte er barsch.
    »Ich muß zum Captain der Wache«, sagte Erik, höflich, aber bestimmt und mit weitaus mehr Selbstsicherheit, als er empfand.
    Der Soldat betrachtete verwundert die ziemlich abgerissene, mit Straßenstaub bedeckte Kleidung des Ankömmlings und sein unrasiertes Kinn, registrierte zweifellos das Fehlen von Pferd und Waffen und jedem anderen Anzeichen von Rang, aber er zuckte gleichmütig mit den Schultern. Dann wies er auf einen Mann in einem guten Wollmantel, der gerade zu den Mägden am Brunnen trat und ihnen offenbar Beine machte. Jedenfalls sprangen sie schleunigst auf und trieben die Schweine zusammen.
    Erik nickte seinen Dank und betrat den Innenhof. Hyld folgte ihm. Erik trat auf den Captain der Wache zu und stellte eine höfliche Frage in seiner Sprache, doch der Mann winkte schroff ab. »Sprich englisch mit mir oder verschwinde, Söhnchen.«
    Erik war einen Augenblick verblüfft, denn er wußte, daß Tostigs Housecarls größtenteils Dänen waren, doch er sammelte sich sofort. »Ich habe eine Botschaft für Earl Tostig. An wen muß ich mich wenden, um vorgelassen zu werden?«
    Der Captain beäugte ihn kritisch. »Eine Botschaft? Von wem?«
    Erik faßte in den Ausschnitt seines Gewandes und zog eine Lederschnur hervor, die, so hätte Hyld schwören können, gestern noch nicht dort gewesen war. An der Schnur hing ein glänzendes Siegel. Er hieltes dem Wachoffizier zur Begutachtung hin. »Von Ælfric, Thane of Helmsby.«
    Hyld stockte der Atem.
    Der Mann schüttelte den Kopf. »Nie gehört.«
    »Er ist ein Vertrauter des Earl of Wessex und der neue Sheriff von Norfolk.«
    Hyld biß sich auf die Zunge, um einen Laut der Verblüffung zu unterdrücken.
    »Ach ja?« fragte der Captain mit

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