Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das zweite Königreich

Das zweite Königreich

Titel: Das zweite Königreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
Vom Netzwerk:
Guthric.«
    Er schüttelte kurz den Kopf und preßte einen Augenblick die Lippen zusammen. »Gott vergebe euch.«
    Plötzlich stand Erik neben ihr. Er verschränkte die Arme und sah Guthric herausfordernd an. »Du bist der einzige, an den sie sich wenden kann. Es ist schwer genug für sie. Was ist mit dir? Haben sie in nur einem Jahr einen Pharisäer aus dir gemacht?«
    Guthric fuhr wütend auf. »Was fällt dir ein?« Er wandte sich kopfschüttelnd an seine Schwester. »Wie konntest du das nur tun, Hyld? Warum ausgerechnet ein dänischer Pirat? Welcher Teufel hat dich geritten?« Hyld hob den Kopf. » Du warst der Teufel. Du hast zu mir gesagt, auch ein dänischer Pirat sei ein Mensch mit einer unsterblichen Seele und habe ein Recht darauf, wie ein Mensch behandelt zu werden. Weißt du noch?«
    Guthric riß verwundert die Augen auf, als er hörte, wie er mit den eigenen Worten geschlagen wurde. Er nahm seine Arbeit wieder auf und widmete ihr seine gesamte Aufmerksamkeit. Es war lange still, das Schweigen nur unterbrochen vom Kratzen des Schabers und dem Gurren der Tauben im Dachstuhl der Kirche.
    Dann ließ er sein Werkzeug sinken, kam um den Holzrahmen herum zu ihnen und nickte. »Ihr habt recht. Es tut mir leid, Hyld. Ich war einfach … zu überrascht.«
    Sie lächelte scheu. »Ja. Das war ich auch, glaub mir.«
    Er nahm ihre Hand und zog sie zu einer niedrigen Mauer, die den kleinen Hof vom Gemüsegarten trennte. Dort setzten sie sich. Erik war ihnen gefolgt und blieb neben Hyld stehen.
    Hyld berichtete ihrem Bruder in knappen Worten, was sich in den letzten Monaten ereignet hatte. Sie senkte den Blick nicht, denn sie schämte sich nicht. Harald Hårderåde und Eriks geheimnisvolle Mission verschwieg sie. Sie wußte ja nicht einmal selbst genau, worum es sich dabei handelte.
    »Jedenfalls bleibt mir gar nichts anderes übrig, als mit ihm zu gehen. Seit Wochen ist mir jeden Morgen speiübel, aber ich habe mir einfachnichts dabei gedacht. Erst Erik hat mich heute morgen auf den Gedanken gebracht. Ich frage mich, wie ich so blind sein konnte.«
    »Weil du es nicht wahrhaben wolltest«, erwiderte ihr Bruder. »Das ist typisch für dich, Hyld. Du siehst immer nur, was du sehen willst.«
    Sie fragte sich, ob das stimmte. Vielleicht war es so. Sie hatte gern klare Verhältnisse, eine genaue Vorstellung von sich selbst und den Menschen in ihrem Leben. Möglicherweise half es da manchmal, gewisse Dinge zu übersehen.
    »Ich glaube nicht, daß ich mir das jetzt noch leisten kann.«
    »Nein«, stimmte Guthric zu. Auf einmal empfand er großes Mitgefühl für seine Schwester. Wie unglaublich gewagt mußte ihr eigener Schritt ihr erscheinen, wie unsicher ihre Zukunft. »Ich muß sagen, daß dein Schneid mir ziemlich imponiert.«
    Hyld hob die Schultern. »Wir werden noch sehen, wie weit es damit her ist.«
    »Du machst jedenfalls keinen besonders verzagten Eindruck.«
    »Ich bin vor allem erleichtert, Guthric. Ich war so zerrissen, wenigstens das habe ich jetzt überwunden. Aber ich könnte es nicht ertragen, einfach so fortzugehen und Vater und Mutter im ungewissen zu lassen. Du mußt es ihnen erklären.«
    »Keine sehr dankbare Aufgabe«, murmelte er seufzend.
    »Nein«, gestand Hyld kleinlaut. »Aber ich weiß mir keinen anderen Rat.«
    Guthric nickte. »Nein. Sei beruhigt, Hyld.« Er dachte einen Moment nach. »Wann seid ihr aufgebrochen?«
    »Heute vormittag. Ich habe gesagt, ich ginge ins Dorf, um Edith beim Wollefärben zu helfen, und Erik sollte die Herde auf die Stoppelfelder treiben. Mit etwas Glück haben sie gerade erst gemerkt, daß wir verschwunden sind.« Ihr Magen verkrampfte sich bei dem Gedanken, wieviel Kummer und Sorge sie ihren Eltern bereitete.
    Guthrics Gedanken schienen in die gleiche Richtung zu gehen, und er schlug beklommen die Augen nieder. »Also schön. Ich denke, spätestens morgen mittag wird Vater herkommen, um euch zu suchen. Wenn nicht, werde ich Abt Thurstan bitten, mich nach Hause reiten zu lassen, und mit ihnen reden.«
    Ihr blasses, bekümmertes Gesicht hellte sich auf. Impulsiv nahm sie seine Hände. »Danke, Guthric.«
    »Und jetzt sagt mir, wohin ihr wollt.«
    Hyld und Erik wechselten einen Blick. Erik zögerte nur einen winzigen Moment, dann sagte er: »Nach Norden. Nach Northumbria. Aber erst einmal gehen wir nach Norwich. Dort werde ich Landsleute finden, die mir helfen, und einen Priester, der uns traut.«
    Guthric sah ihm in die Augen. »Ein vernünftiger Plan. Und wenn mein

Weitere Kostenlose Bücher