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Das zweite Vaterland

Das zweite Vaterland

Titel: Das zweite Vaterland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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wahrscheinlich den östlichsten Punkt der Neuen Schweiz bildete, der Uferlinie in der Entfernung von einer halben Lieue folgen, wobei sie durch einen Landwind von Nordwesten unterstützt wurde.
    Im Laufe dieser Fahrt konnte der ältere Zermatt sich aufs neue überzeugen, welch trostlos öden Anblick die Ostküste der Neuen Schweiz darbot. Kein Baum auf dem steilen Ufer, keine Spur von Pflanzenwuchs an seinem Fuße, kein Bach, der sich über den nackten, verlassenen Strand hinschlängelte… nichts als Gesteinsmassen, die gleichmäßig von der Sonne mürbe gebrannt erschienen. Welch ein Unterschied gegenüber den grünen Ufern der Rettungsbucht und den Landstrecken bis hinaus zum Cap der Getäuschten Hoffnung!
    »Wären wir nach dem Scheitern des »Landlord«, äußerte sich darüber der ältere Zermatt, nach dieser Seite der Küste getrieben worden, was wäre dann aus uns geworden und wie hätten wir nur nothdürftig unser Leben sichern sollen?
    – Ja, meinte Wolston, da wären Sie eben gezwungen gewesen, weiter ins Innere vorzudringen. Doch auch beim Hinwandern um das Ufer der Rettungsbucht würden Sie ja auf die Stelle gestoßen sein, wo sich anfänglich das Lager von Zeltheim erhob.
    – Das ist ja anzunehmen, lieber Wolston, erwiderte der ältere Zermatt, doch um den Preis welcher Anstrengung. und welche Beute der Verzweiflung wären wir in den ersten Tagen gewesen!
    – Und wer weiß denn, setzte Ernst hinzu, ob unser aus Tonnen gebildetes Floß nicht an den Felsen hier zerschellt wäre? Wie anders dort an der Mündung des Schakalbaches, wo die Landung leicht und gefahrlos stattfinden konnte.
    – Der Himmel hat Sie sichtlich begünstigt, liebe Freunde, sagte Frau Wolston.
    – Ja, sichtlich, meine beste Merry, antwortete Frau Zermatt, und ich bringe ihm noch jeden Tag meinen Dank dafür dar!«
    Gegen elf Uhr erreichte die »Elisabeth« die »Licorne«-Bai, und eine halbe Stunde später ging sie am Fuße eines Uferfelsens, in der Nähe der Stelle, wo die englische Corvette gelegen hatte. vor Anker.
    Der ältere Zermatt wollte, mit Zustimmung der anderen, in diesem Winkel der Bai ans Land gehen, hier den Rest des Tages zubringen und am nächsten Morgen mit Tagesanbruch die Fahrt längs der Küste fortsetzen.
    Nachdem der Anker gefaßt hatte, wurde der Hintertheil der Pinasse mit einem Sorrtau näher ans Ufer gezogen, und alle betraten den mit festem, seinem Sande bedeckten Strand.
    Rings um die Bai erhob sich ein gegen hundert Fuß hohes, aus Kalkstein bestehendes Steilufer, auf dessen Kamm man nur durch eine enge, in seiner Mitte sich öffnende Schlucht gelangen konnte.
    Die beiden Familien gingen zunächst auf dem Strandgebiete umher, wo sich noch immer Spuren des früheren Lagers vorfanden. Da und dort zeigten sich noch Fußstapfen im Sande, wo dieser vom Wasser nicht mehr erreicht wurde, Holzreste von den Reparaturarbeiten an der Corvette, die Löcher der Zeltpfähle, einzelne Kohlenstückchen zwischen den Kieseln und selbst noch Asche von den Feuerstätten.
    Diese Wahrnehmungen veranlaßten den älteren Zermatt zu folgender, unter den vorliegenden Umständen gewiß treffenden Bemerkung:
    »Angenommen, wir besuchten, sagte er, die Ostküste hier heute zum erstenmale und fänden diese noch frischen Spuren einer unzweifelhaft kurz vorher erfolgten Landung, müßten wir dann nicht tief betrübt darüber sein? An dieser Stelle hätte also ein Schiff geankert, seine Besatzung hätte im Hintergrunde der Bai auf dem Lande gelagert, und wir, wir hätten gar nichts davon bemerkt! Und wenn das Schiff darauf diese öde Küste wieder verlassen hatte, konnte dann jemand die Hoffnung hegen, daß es je hierher zurückkehren werde?
     

    Augenblicklich war auf dem Meeresboden gar nichts mehr zu sehen. (S. 119.)
     
    – Das ist nur zu wahr, meinte Betsie. Doch welchem Umstande verdanken wir es, von der Ankunft der »Licorne« Kunde erhalten zu haben?
    – Einem Zufalle, rief Jack, einem reinen Zufalle!
    – Nein, mein Sohn, entgegnete der ältere Zermatt, und was auch Ernst darüber gesagt haben mag, wir verdanken das doch unserer Gewohnheit, jedes Jahr zu dieser Zeit die Geschütze auf der Haifischinsel abzufeuern, und auf diese Schüsse hatte die Corvette voriges Jahr mit drei anderen geantwortet.
    – Da muß ich mich wohl fügen! gestand Ernst.
    – Und welche Unruhe, fuhr sein Vater fort, welche Angst hat uns die darauffolgenden Tage gepeinigt, weil die stürmische Witterung uns verhinderte, nach jener Insel

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