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Das zweite Zeichen

Titel: Das zweite Zeichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Rankin
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hervor. Dr. Poole betrachtete sie mit
gerunzelter Stirn. »An einer Überdosis Heroin gestorben. Quasi aufgebahrt, die Beine zusammen,
die Arme ausgebreitet. Die Leiche lag zwischen zwei Kerzen, die völlig heruntergebrannt waren.
Sagt Ihnen das irgendwas?«
Poole wirkte völlig entsetzt. »Nein«, sagte er. »Glauben Sie denn, dass Satanisten...«
»Ich glaube gar nichts, Sir. Ich versuche nur, Dinge zusammenzufügen, indem ich alle
Möglichkeiten durchgehe.«
Poole dachte einen Augenblick nach. »Einer unserer Studenten könnte Ihnen vielleicht
besser helfen als ich. Ich hatte ja keine Ahnung, dass es um einen Todesfall...«
»Ein Student?«
»Ja. Ich kenne ihn nur flüchtig. Er scheint sich sehr für Okkultismus zu interessieren, hat in
diesem Trimester einen langen und kenntnisreichen Essay darüber geschrieben. Plant irgendein
Projekt über Dämonismus. Er ist Student im zweiten Jahr. Da müssen sie über die Sommerferien ein
Projekt machen. Ja, vielleicht kann er Ihnen eher helfen als ich.«
»Und sein Name...?«
»Sein Nachname fällt mir im Augenblick nicht ein. Er stellt sich normalerweise immer nur mit
seinem Vornamen vor. Charles.«
»Charles?«
»Oder vielleicht Charlie. Ja, Charlie, das ist es.«
Der Name von Ronnies Freund. In Nacken begann es zu kribbeln.
»Ja genau, Charlie«, bestätigte Poole sich selbst und nickte.
»Bisschen exzentrisch. Sie finden ihn vermutlich in einem der Gebäude der Studentenvereinigung.
Ich glaube, er ist süchtig nach diesen Videospielen...«

Nein, nicht Videospiele. Flipperautomaten. Die mit dem ganzen Schnickschnack, den kleinen Tricks
und Extras, mit denen ein Spiel erst richtig Spaß macht. Charlie war ganz wild auf diese Geräte.
Es war eine Liebe, die deshalb besonders heftig war, weil sie ihn erst spät im Leben gepackt
hatte. Schließlich war er bereits neunzehn. Das Leben floss an ihm vorbei, und er wollte alles
mitnehmen, was sich ihm darbot.
Flippern hatte in seiner Kindheit keine Rolle gespielt. Die hatte nur Büchern und Musik gehört.
Außerdem hatte es in seinem Internat keine Flipperautomaten gegeben.
Nun, wo er endlich an der Uni und frei war, da wollte er leben. Und flippern. Und all die anderen
Dinge tun, die er in den Jahren versäumt hatte, als er brav seine Hausaufgaben machte,
Besinnungsaufsätze schrieb und reichlich Innenschau betrieb. Charlie wollte schneller durchs
Leben laufen, als irgendwer je gelaufen war, wollte nicht ein Leben leben, sondern zwei, drei
oder vier. Als die silberne Kugel den linken Flipper berührte, schoss er sie mit grimmiger
Heftigkeit ins Spiel zurück.
Sie blieb einen Augenblick in einem der Bonuslöcher liegen und sammelte weitere tausend Punkte.
Er nahm sein Bier, trank rasch einen großen Schluck, und sofort kehrten seine Finger zu den
Knöpfen zurück.
Noch zehn Minuten, und er würde den Tagesrekord eingestellt haben.
»Charlie?«
Er drehte sich um, als er seinen Namen hörte. Ein dummer Fehler, sehr naiv. Sofort wandte er sich
wieder dem Spiel zu, doch es war zu spät. Der Mann kam auf ihn zu. Der ernste Mann. Der Mann, der
nicht lächelte.
»Ich möchte kurz mit dir reden, Charlie.«
»Okay, wie wär's mit Kohlehydraten. Das war schon immer eins meiner Lieblingsthemen.«
John Rebus' Lächeln hielt weniger als eine Sekunde.
»Sehr clever«, sagte er. »Ja, so was nennen wir eine schlagfertige Antwort.«
»Wir?«
»Kriminalpolizei Lothian. Mein Name ist Inspector Rebus.«
»Freut mich, Sie kennen zu lernen.«
»Ganz meinerseits, Charlie.«
»Nein, Sie irren sich. Ich heiße nicht Charlie. Der kommt allerdings manchmal hierher. Ich werd
ihm sagen, dass Sie nach ihm gefragt haben.«
Charlie war gerade dabei, den Tagesrekord zu brechen, fünf Minuten früher als erwartet, da packte
ihn Rebus an der Schulter und riss ihn herum. Da keine anderen Studenten in der Nähe waren, ließ
er die Hand auf Charlies Schulter und drückte kräftig zu, während er sprach.
»Du bist ungefähr so spaßig wie ein Madensandwich, Charlie, und Geduld ist nicht gerade meine
Stärke. Also musst du mir verzeihen, wenn ich gereizt oder unbeherrscht oder sonst was
bin.«
»Hände weg.« Charlies Gesicht hatte einen neuen Ausdruck angenommen, allerdings keinen
ängstlichen.
»Ronnie«, sagte Rebus jetzt ganz ruhig und ließ die Schulter des jungen Mannes los.
Die Farbe wich aus Charlies Gesicht. »Was ist mit ihm?«
»Er ist tot.«
»Ja.« Charlies Stimme war leise, sein Blick unruhig. »Hab ich gehört.«
Rebus

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