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Das zweite Zeichen

Titel: Das zweite Zeichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Rankin
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das immer noch alles da ist; die
Vergangenheit wiederholt sich in der Gegenwart.«
»So hast du also angefangen, in Pilmuir herumzuhängen?«
»Ja.«
»Mit anderen Worten, du bist selbst zum Touristen geworden?«
Rebus hatte solche Typen wie Charlie schon häufiger erlebt, allerdings meistens in älterer
Ausführung. Der wohlhabende Geschäftsmann, der sich wegen des besonderen Kicks in die Niederungen
begibt, der schäbige Etablissements zu einem billigen Vergnügen aufsucht. Er mochte diese Sorte
Leute nicht.
»Ich war kein Tourist!« Charlie wurde immer wütender, zappelte wie eine Forelle nach dem Wurm am
Angelhaken. »Ich war dort, weil ich dort sein wollte und weil sie mich dort haben wollten.« Seine
Stimme hatte einen schmollenden Ton angenommen, »Ich gehöre dorthin.«
»Nein, das tust du nicht, mein Junge, du gehörst irgendwo in ein großes Haus zu Eltern, die sich
für dein Studium interessieren.«
»Scheiße.« Charlie schob seinen Stuhl zurück, ging zu einer Wand und lehnte den Kopf dagegen.
Einen Augenblick lang glaubte Rebus, er hätte vor, den Kopf dagegen zu knallen, um dann zu
behaupten, er sei von der Polizei misshandelt worden. Aber offenbar brauchte er nur eine Fläche,
an der er sein Gesicht kühlen konnte.
Im Vernehmungsraum war es stickig. Rebus hatte bereits seine Jacke ausgezogen. Nun krempelte er
sich die Ärmel hoch und drückte dann seine Zigarette aus.
»Okay, Charlie.« Der Widerstand des jungen Mannes war jetzt gebrochen. Es wurde Zeit, ein paar
Fragen zu stellen. »In der Nacht, in der das mit der Überdosis passierte, da warst du mit Ronnie
in dem Haus, stimmt's?«
»Das stimmt. Zumindest eine Zeit lang.«
»Wer war noch da?«
»Tracy war da. Sie war noch da, als ich gegangen bin.«
»Sonst noch wer?«
»Irgendein Typ kam am frühen Abend vorbei. Er ist nicht lange geblieben. Ich hab ihn schon vorher
ein paarmal mit Ronnie gesehen. Wenn er da war, blieben sie immer für sich.«
»Könnte das sein Dealer gewesen sein?«
»Nein. Ronnie kam immer an Stoff ran. Zumindest bis vor kurzem. Die letzten Wochen hatte er
Probleme damit. Die beiden schienen allerdings ein ziemlich enges Verhältnis zu haben. Richtig
eng, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
»Erzähl weiter.«
»So eng wie Verliebte, wie Schwule.«
»Aber Tracy...?«
»Na und, aber was beweist das schon? Sie wissen doch, wie die meisten Drogenabhängigen an ihr
Geld kommen.«
»Wie denn? Durch Diebstahl?«
»Genau. Diebstahl, Straßenraub, was auch immer. Und irgendwelche Geschäfte drüben am Calton
Hill.«
Calton Hill, ein großes, unübersichtliches Gebiet östlich der Princes Street. Ja, Rebus wusste
alles über Calton Hill und über die Autos, die einen großen Teil der Nacht da unten parkten,
entlang der Regent Road.
Er wusste auch über den Calton-Friedhof Bescheid, was dort vor sich ging...
»Du behauptest also, Ronnie war ein Strichjunge?« Der Ausdruck klang lächerlich, wenn er laut
ausgesprochen wurde. Das war Boulevardpresse-Stil.
»Ich sage nur, dass er häufig mit einer Menge anderer Typen dort rumgehangen ist und dass er am
Ende der Nacht immer Geld hatte.«
Charlie schluckte. »Geld und vielleicht ein paar blaue Flecken.«
»O Gott.« Rebus fügte diese Information dem äußerst unerfreulichen kleinen Dossier hinzu, das
allmählich in seinem Kopf entstand. Wie tief wäre jemand für einen Schuss bereit zu sinken? Die
Antwort war: bis auf die unterste Stufe. Und dann noch ein bisschen tiefer. Er zündete sich die
nächste Zigarette an.
»Weißt du das ganz sicher?«, fragte er.
»Nein.«
»Kam Ronnie eigentlich aus Edinburgh?«
»Aus Stirling.«
»Und sein Nachname war...«
»McGrath, glaub ich.«
»Und was ist mit diesem Typ, mit dem er so vertraut war? Kennst du seinen Namen?«
»Er nannte sich Neil. Ronnie nannte ihn Neilly.«
»Neilly? Hattest du den Eindruck, dass sie sich schon länger kannten?«
»Ja, schon eine ganze Weile. So ein Spitzname ist doch ein Zeichen von Zuneigung, oder?« Rebus
sah Charlie erstaunt an. »Ich studier doch nicht umsonst Psychologie, Inspector.«
»Stimmt.« Rebus prüfte, ob noch genügend unbespieltes Band in dem kleinen Kassettenrecorder war.
»Kannst du mir eine Beschreibung von diesem Neil geben?«
»Groß, dürr, kurze braune Haare. Leicht pickeliges Gesicht, aber immer sauber. Trug meistens
Jeans und eine Jeansjacke. Und hatte immer eine große schwarze Reisetasche dabei.«
»Hast du eine Ahnung, was darin war?«
»Ich hatte den Eindruck, das

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