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Das zweite Zeichen

Titel: Das zweite Zeichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Rankin
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nannte den so entstandenen Raum seinen Weinkeller und bestellte ab und zu einen Karton
mit verschiedenen Weinen aus dem guten kleinen Laden bei ihm um die Ecke. Er griff in einen der
Kartons und zog etwas heraus, das sich Château Potensac nannte. Ja, davon hatte er schon mal eine
Flasche getrunken. Der war genau richtig.
Er goss ein Drittel der Flasche in ein großes Glas, ging ins Wohnzimmer zurück und hob auf dem
Weg eines der Bücher vom Boden auf. Er saß bereits in seinem Sessel, als er einen Blick auf den
Einband warf: The Naked Lunch. Nein, schlechte Wahl. Er warf das Buch wieder hin und
tastete nach einem anderen. Dr. Jekyll und Mr. Hyde. Na schön, das wollte er schon seit
ewigen Zeiten noch einmal lesen, und es war angenehm kurz. Er trank einen Schluck Wein und ließ
ihn im Mund herumgehen, bevor er ihn herunterschluckte. Dann schlug er das Buch auf.
Perfekt getimt, wie in einem Bühnenstück, klopfte es an der Tür.
Rebus gab ein Geräusch von sich, das eine Mischung aus Seufzen und Knurren war. Er legte das Buch
aufgeschlagen auf die Sessellehne und stand auf. Es war vermutlich Mrs. Cochrane von unten, die
ihm sagen wollte, dass er mit dem Treppenhaus dran war. Sie würde das große Pappschild mit der
Aufforderung: SIE SIND AN DER REIHE DIE TREPPE ZU PUTZEN dabei haben. Warum konnte sie es nicht
einfach an seine Tür hängen, wie es alle anderen offensichtlich machten...?
Er versuchte, ein gutnachbarliches Lächeln aufzusetzen, als er die Tür öffnete, doch der
Schauspieler in ihm hatte heute Abend frei. Deshalb hatte er einen eher leidenden Zug um den
Mund, als er den Besucher auf seiner Fußmatte anstarrte.
Es war Tracy.
Sie war rot im Gesicht und hatte Tränen in den Augen, doch die Röte kam nicht vom Weinen. Sie
wirkte erschöpft, das Haar schweißverklebt.
»Darf ich reinkommen?« Es war eine unüberhörbare Anspannung in ihrer Stimme. Rebus brachte es
nicht über sich, Nein zu sagen. Er stieß die Tür weit auf. Sie stolperte an ihm vorbei und
steuerte direkt auf das Wohnzimmer zu, als ob sie schon hundert Mal dort gewesen wäre.
Rebus prüfte, ob keine neugierigen Nachbarn im Treppenhaus waren, dann schloss er die Tür. Er
verspürte ein unangenehmes Kribbeln. Er mochte es nicht, wenn Leute ihn hier besuchten.
Und ganz besonders mochte er nicht, wenn die Arbeit ihn bis nach Hause verfolgte.
Als er ins Wohnzimmer kam, hatte Tracy bereits den Wein ausgetrunken und wirkte entspannter. Ihr
Durst war gestillt. Rebus spürte, wie sein Unbehagen zunahm, bis es fast unerträglich war.
»Wie zum Teufel haben Sie mich gefunden?«, fragte er. Er stand in der Tür, als ob er darauf
wartete, dass Tracy ging.
»War nicht einfach«, sagte sie. Ihre Stimme klang jetzt etwas ruhiger.
»Sie haben mir erzählt, dass Sie in Marchmond wohnen, also bin ich hier rumgelaufen und hab nach
Ihrem Auto gesucht. Dann hab ich Ihren Namen unten an der Klingel gesehen.«
Er musste zugeben, dass sie einen guten Detective abgeben würde.
Der größte Teil der Arbeit eines Detective bestand nämlich aus Lauferei.
»Man ist mir gefolgt«, sagte sie jetzt. »Ich hab Angst gekriegt.«
»Ihnen gefolgt?« Jetzt trat er neugierig ins Wohnzimmer. Das Gefühl, überfallen worden zu sein,
ließ langsam nach.
»Ja, zwei Männer. Ich glaube jedenfalls, dass es zwei waren. Sie sind mir den ganzen Nachmittag
gefolgt. Ich war in der Princes Street, bin einfach rumgeschlendert, und sie waren immer ein
kleines Stück hinter mir. Sie müssen gewusst haben, dass ich sie sehen konnte.«
»Und dann?«
»Ich hab sie abgehängt. Bin bei Marks and Spencer rein, zum Ausgang Rose Street gerast und dann
in einem Pub im Damenklo verschwunden. Da hab ich eine Stunde gewartet. Das hat's anscheinend
gebracht. Dann bin ich hierher.«
»Warum haben Sie mich nicht angerufen?«
»Kein Geld. Deshalb war ich ja überhaupt in der Princes Street.«
Sie hatte sich in seinen Sessel gesetzt und ließ die Arme über die Lehnen baumeln. Er deutete mit
dem Kopf auf das leere Glas.
»Möchten Sie noch was?«
»Nein danke. Eigentlich mag ich das Gesöff nicht, aber ich hatte furchtbaren Durst. Eine Tasse
Tee könnt ich allerdings vertragen.«
»Tee, in Ordnung.« Gesöff hatte sie den Wein genannt! Er drehte sich um und ging in die Küche, in
Gedanken halb bei dem Tee, halb bei ihrer Geschichte. In einem seiner dürftig bestückten Schränke
fand er eine noch ungeöffnete Packung Teebeutel. Frische Milch hatte er nicht da, aber aus einer
alten

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