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Das zweite Zeichen

Titel: Das zweite Zeichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Rankin
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hatten, nichts mit sich
anzufangen wussten.
Sie war allerdings nur zu froh gewesen, aus der Wache rauszukommen. Er hatte ihr die Autotür
aufgehalten und ihr gut zugeredet, damit sie nicht einfach abhaute. Und sie war eingestiegen,
wenn auch mürrisch und schweigend. Okay, sie war wütend auf ihn. Er würde darüber hinwegkommen.
Und sie auch.
»Ich hab's kapiert«, sagte er. »Du bist sauer. Aber wie oft soll ich dir das denn noch erklären?
Es war nur zu deiner eigenen Sicherheit, während ich ein paar Dinge überprüft habe.«
»Wo fahren wir eigentlich hin?«
»Kennst du diese Gegend hier?«
Sie schwieg. Es sollte wohl keine Unterhaltung stattfinden. Nur Fragen und Antworten ­ seine Fragen.
»Wir fahren bloß ein bisschen rum«, sagte er. »Die Gegend musst du doch kennen. Hier wurde früher
viel gedealt.«
»Damit hab ich nichts zu tun!«
Jetzt war es an Rebus zu schweigen. Er war noch nicht zu alt, um irgendwelche Spielchen zu
spielen. Er bog nach links ab, dann noch mal nach links, dann nach rechts.
»Hier waren wir doch schon«, bemerkte sie. Es war ihr also aufgefallen. Kluges Mädchen.
Allerdings spielte es keine Rolle. Das Einzige, was zählte, war, dass er sie ganz allmählich ­
linksherum, rechtsherum, dann wieder links und rechts ­, ans Ziel brachte.
Er fuhr abrupt an den Straßenrand und zog die Handbremse.
»Wir sind da«, sagte er.
»Hier?« Sie starrte aus dem Seitenfenster auf das Mietshaus. Die ursprünglich rote Steinfassade
war im vergangenen Jahr gereinigt worden und hatte nun etwas Knetgummiartiges an sich, knallrosa
und irgendwie weich. »Hier?«, wiederholte sie. Das Wort blieb ihr fast im Hals stecken, als sie
das Haus erkannte, obwohl sie sich das nicht anmerken lassen wollte.
Als sie den Blick vom Fenster abwandte, lag das Foto auf ihrem Schoß. Sie wischte es mit einem
Aufschrei weg, als ob es ein Insekt wäre. Rebus hob das Foto vom Boden auf und hielt es ihr
hin.
»Von dir, nehm ich an.«
»Wo zum Teufel hast du das her?«
»Willst du mir was darüber erzählen?«
Ihr Gesicht war jetzt so rot wie die Steinfassade, ihre Augenlider flatterten panisch wie bei
einem Vogel. Sie fummelte hektisch an dem Sicherheitsgurt herum, wollte unbedingt aussteigen,
doch Rebus hielt das Schloss fest umklammert.
»Lass mich raus!«, brüllte sie und schlug auf seine Faust. Dann stieß sie die Tür auf, doch der
Wagen stand so schräg, dass die Tür sofort wieder zufiel. Außerdem gab der Sicherheitsgurt nicht
genug nach. Sie war an den Sitz gefesselt.
»Ich dachte, wir statten Mr. Hutton einen Besuch ab«, sagte Rebus gerade, seine Stimme scharf wie
eine Klinge. »Fragen ihn nach diesem Foto. Und danach, wie er dir ein paar Pfund gezahlt hat,
damit du für ihn Modell stehst. Und wie du ihm Ronnies Fotos gebracht hast, vielleicht um noch
ein paar Mäuse mehr zu kriegen oder einfach nur, um Ronnie zu ärgern. War es nicht so, Tracy? Ich
möchte wetten, dass Ronnie stinksauer war, als er merkte, dass Hutton seine Ideen geklaut hatte.
Er konnte es aber nicht beweisen, stimmt's? Und woher sollte er wissen, wie Hutton überhaupt
daran gekommen war? Ich nehme an, du hast Charlie die Schuld zugeschoben, und deshalb seid ihr
beide nicht gerade ein Herz und eine Seele. Du warst Ronnie ja eine schöne Freundin, meine Süße.
Eine schöne Freundin.«
In diesem Augenblick verlor sie völlig die Fassung und versuchte nicht länger, sich aus dem
Sicherheitsgurt zu befreien. Ihr Kopf sank in die Hände, und sie weinte laut und anhaltend.
Inzwischen bemühte sich Rebus, ganz ruhig durchzuatmen. Er war nicht stolz auf sich, aber es
hatte gesagt werden müssen. Sie musste damit aufhören, sich vor der Wahrheit zu verstecken.
Natürlich war das Ganze reine Mutmaßung, aber Rebus war sicher, dass Hutton alles bestätigen
würde, wenn man ihn ein wenig unter Druck setzte. Sie hatte für Geld Modell gestanden und dabei
vielleicht erwähnt, dass ihr Freund auch fotografierte. Hatte Hutton die Fotos gegeben und damit
Ronnie seine winzige Chance gestohlen, seine Kreativität ­ und das für ein paar Pfundnoten. Wenn
man seinen Freunden nicht trauen konnte, wem dann?
Er hatte sie über Nacht in der Zelle schmoren lassen, um zu sehen, ob sie durchdrehen würde. Das
war sie nicht, also musste sie wohl clean sein. Aber das bedeutete nicht, dass sie nicht
irgendein teures Laster hatte. Wenn nicht die Nadel, dann etwas anderes. Jeder brauchte doch
irgendwas Kleines, Nettes, oder etwa nicht? Und

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