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Das zweite Zeichen

Titel: Das zweite Zeichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Rankin
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sicher?«
»Ganz sicher.«
»Na schön. Geh runter zum Wagen und hol ein Brecheisen oder so was. Ich will, dass diese Dielen
rausgerissen werden.«
»Äh?«
»Du hast mich schon verstanden, mein Junge. Los jetzt.«
Holmes stand nur da und beobachtete das Ganze mit stiller Bewunderung. Rebus schien an Statur
gewonnen zu haben, schien breiter und größer geworden zu sein. Holmes durchschaute den Trick
nicht so ganz. Vielleicht war es ja eine optische Täuschung, weil er die Hände in den Taschen
hatte und die Ellbogen nach außen spreizte. Was auch immer es war, es funktionierte. Der junge
Arbeiter stolperte aus der Tür und hastete die Treppe hinunter.
»Sind Sie sicher, dass sie dort sein werden?«, fragte Holmes leise. Er bemühte sich, in neutralem
Tonfall zu sprechen, um sich bloß nicht zu skeptisch anzuhören. Aber Rebus war gegen jegliche
Zweifel immun.
Für ihn war es, als hätte er die Fotos bereits in der Hand.
»Ich bin mir ganz sicher, Brian. Ich kann sie förmlich riechen.«
»Meinen Sie nicht, dass das nur das Badezimmer ist?«
Rebus drehte sich um und sah ihn an, als hätte er ihn noch nie gesehen. »Da könnten Sie Recht
haben, Brian. Gar nicht schlecht.«
Holmes folgte Rebus zum Badezimmer. Als Rebus die Tür auftrat, wurden beide Männer von dem
furchtbaren Gestank förmlich überwältigt. Von krampfartigem Würgen gepackt, standen sie
vornübergebeugt da. Rebus nahm ein Taschentuch, hielt es vor sein Gesicht, griff nach der Klinke
und zog die Tür wieder zu.
»Das Bad hatte ich ganz vergessen«, sagte er. »Warten Sie hier.«
Kurz darauf kam er mit dem Vorarbeiter, einer Plastiktonne, einer Schaufel und drei kleinen
weißen Schutzmasken zurück, von denen er eine Holmes gab. Die primitive Pappkappe wurde von einem
Gummi gehalten. Holmes atmete tief durch und setzte die Maske auf. Er wollte gerade sagen, dass
der Gestank immer noch zu riechen war, als Rebus erneut die Tür mit dem Fuß aufstieß und, während
der Vorarbeiter eine starke Taschenlampe in das Badezimmer hielt, über die Schwelle trat.
Rebus zog die Mülltonne an den Rand der Badewanne und bedeutete dem Vorarbeiter, er solle mit der
Lampe in die Wanne leuchten. Holmes fiel fast rückwärts aus dem Zimmer. Eine fette Ratte, die
sich gerade an dem ekligen Inhalt der Wanne gütlich tat, quiekte laut. Mit glühend roten Augen
starrte sie in den Lichtstrahl. Rebus ließ die Schaufel nach unten sausen und teilte das Tier in
zwei Hälften. Holmes schoss aus dem Zimmer, schob die Maske hoch und lehnte sich würgend gegen
die feuchte Wand. Verzweifelt schnappte er nach Luft, doch der Gestank war so überwältigend, dass
die Übelkeit in immer kürzeren Abständen wiederkehrte.
Drinnen im Bad tauschten Rebus und der Vorarbeiter ein Lächeln, das die Augen über ihren
Gesichtsmasken mit Fältchen überzog. Sie hatten in ihrem Leben schon Schlimmeres gesehen ­ viel
Schlimmeres. Aber natürlich waren beide nicht so kindisch, dass sie die Sache hätten in die Länge
ziehen wollen, also machten sie sich an die Arbeit. Der Vorarbeiter hielt die Lampe, während
Rebus den Inhalt der Wanne langsam in die Mülltonne schaufelte. Die Fäkalienmasse lief
dickflüssig von der Schaufel und spritzte Rebus auf Hemd und Hose. Er ignorierte es, ignorierte
alles bis auf die vorliegende Aufgabe. Er hatte schmutzigere Jobs bei der Armee erledigt und noch
viel schmutzigere während seiner gescheiterten Ausbildung beim SAS. Dagegen war das hier eine
Routinesache. Und zumindest hatte diese Arbeit einen Sinn, und ein Ende war auch abzusehen.
Das hoffte er zumindest.
Inzwischen rieb sich Holmes mit dem Handrücken die feuchten Augen. Durch die offene Tür konnte er
die Fortschritte beobachten. Im Schein der Lampe tanzten unheimliche Schatten über Wände und
Decke, während eine Silhouette geräuschvoll Scheiße in eine Tonne schaufelte.
Es war wie eine Szene aus einem neuzeitlichen Inferno, es fehlten nur die Teufel, die die
zur Hölle verdammten Arbeiter antrieben. Doch diese Männer hier sahen zwar nicht gerade glücklich
aus bei ihrer Arbeit, aber zumindest... nun ja, professionell war der Ausdruck, der einem
in den Sinn kam. Lieber Gott, er wollte doch nichts weiter als eine Wohnung, die er sein eigen
nennen konnte, ab und zu einen Urlaub und ein anständiges Auto. Und Nell natürlich. Nun ja,
vielleicht konnte er daraus für sie irgendwann mal eine lustige Geschichte machen.
Aber im Augenblick war ihm absolut nicht nach lächeln

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