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Das zweite Zeichen

Titel: Das zweite Zeichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Rankin
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jetzt Büros der schottischen Anwaltsvereinigung, Kanzleien von
Wirtschaftsprüfern oder Niederlassungen von irgendwelchen Geldinstituten. Aber einige wenige ­
äußerst wenige ­ dienten immer noch ein paar Reichen und Fleißigen als angenehmer und gut
ausgestatteter Wohnsitz. Rebus war schon einmal in dieser Straße gewesen, vor langer Zeit, als er
gerade bei der Kriminalpolizei angefangen hatte. Damals hatte er wegen dem Tod eines jungen
Mädchens ermittelt. Er konnte sich kaum noch an den Fall erinnern. Außerdem war er jetzt viel zu
sehr damit beschäftigt, sich für den bevorstehenden Abend in die richtige Stimmung zu
versetzen.
Er zupfte an der schwarzen Fliege an seinem Hals. Die ganze Kostümierung, Smokingjacke, Hemd,
Fliege und Lackschuhe, hatte er sich am Nachmittag in einem Laden auf der George Street geliehen.
Er war sich wie ein Idiot vorgekommen. Doch als er sich im Badezimmerspiegel betrachtet hatte,
hatte er zugeben müssen, dass er tatsächlich smart aussah. Jedenfalls würde er so in einem
Etablissement wie Finlay's auf der Duke Terrace nicht allzu sehr auffallen.
Die Tür wurde von einer strahlenden jungen Frau geöffnet. Sie war elegant gekleidet und begrüßte
ihn, als würde sie sich wundern, warum er nicht öfter kam.
»Guten Abend«, sagte sie. »Kommen Sie doch bitte herein.«
Das tat er gerne. Die Eingangshalle war sehr dezent. Cremefarbene Wände, hochfloriger
Teppichboden, einige Stühle, die von Charles Rennie Mackintosh hätten entworfen sein können. Sie
hatten hohe Lehnen und sahen äußerst unbequem aus.
»Wie ich sehe, gefallen Ihnen unsere Stühle«, sagte die Frau.
»Ja«, antwortete Rebus und erwiderte ihr Lächeln. »Mein Name ist übrigens Rebus. John
Rebus.«
»Ah ja. Finlay hat mir gesagt, Sie würden erwartet. Da das Ihr erster Besuch hier ist, möchten
Sie, dass ich mit Ihnen einen kurzen Rundgang mache?«
»Das ist sehr freundlich.«
»Aber zuerst bekommen Sie was zu trinken, und der erste Drink geht immer aufs Haus.«
Rebus versuchte, nicht allzu neugierig zu wirken, aber er konnte nicht anders. Schließlich war er
durch und durch Polizist und hatte seine Berufsehre. Also stellte er seiner Begleiterin, deren
Name Paulette war, einige Fragen zu diesem und jenem Teil des Spielclubs. Ihm wurde gezeigt, wo
die Keller lagen (»Finlay hat ihren Inhalt für eine Viertelmillion versichern lassen«), die Küche
(»unser Koch ist sein Gewicht in Beluga wert«) und die Gästezimmer (»die Richter sind die
schlimmsten, ein oder zwei enden immer hier, weil sie zu betrunken sind, um nach Hause zu
gehen«). Die Keller und die Küche waren im Untergeschoss, im Erdgeschoss befanden sich eine
ruhige Bar und ein kleines Restaurant mit Garderobe und Toiletten sowie ein Büro. Vorbei an einer
Sammlung schottischer Gemälde aus dem 18. und 19.
Jahrhundert von Künstlern wie Jacob More und David Allan, führte eine mit Teppich ausgelegte
Treppe hinauf in den ersten Stock, wo der eigentliche Spielbereich lag: Roulette, Blackjack,
einige weitere Tische für Kartenspiele und ein Tisch zum Würfeln. Die Spieler waren
Geschäftsleute, die Einsätze hielten sich im Rahmen, keine hohen Gewinne und keine hohen
Verluste. Sie hatten ihre Chips ganz nahe bei sich liegen.
Paulette zeigte auf zwei geschlossene Räume.
»Privaträume, für Privatspiele.«
»Was denn?«
»Hauptsächlich Poker. Die professionelleren Spieler buchen ungefähr einmal im Monat einen Raum.
Manchmal spielen sie die ganze Nacht hindurch.«
»Genau wie im Film.«
»Ja.« Sie lachte. »Genau wie im Film.«
Die zweite Etage bestand aus den drei Gästezimmern, die ebenfalls abgeschlossen waren, sowie
Finlay Andrews' privater Suite.
»Die ist natürlich nicht zugänglich«, sagte Paulette.
»Natürlich nicht«, pflichtete Rebus ihr bei, als sie wieder die Treppe hinuntergingen.
Das war also Finlay's Club. An diesem Abend war nicht viel los. Er hatte nur zwei oder drei
Gesichter gesehen, die er erkannt hatte: einen Anwalt, der so tat, als kenne er ihn nicht, obwohl
sie im Gericht mal aneinander geraten waren, einen Fernsehansager, dessen tiefe Bräune unecht
wirkte, und Farmer Watson.
»Hallo, John.« Obwohl Watson sich in einen Anzug mit Frackhemd gequetscht hatte, sah er trotzdem
aus wie ein Polizist ohne Uniform. Er war in der Bar, als Paulette und Rebus zurückkamen. Er
hatte die Hand um ein Glas Orangensaft gelegt und versuchte, entspannt auszusehen, doch er wirkte
absolut fehl am Platze.
»Sir.«

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