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Das zweite Zeichen

Titel: Das zweite Zeichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Rankin
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versteckt?«
»Auf dem fünften Stock, hat er gesagt. In einer gebundenen Ausgabe von etwas, das sich Edinburgh Magazine nennt. Ich glaub, das ist eine Zeitschrift.«
»Das stimmt«, sagte Nell lächelnd. »Das ist eine Zeitschrift.«

Nells Anruf hatte Brian Holmes in beste Laune versetzt. Doch zunächst war er völlig schockiert
gewesen und hatte mit ihr geschimpft, weil sie aufgestanden war.
»Ich liege doch im Bett«, sagte sie. Ihre Stimme wurde vor Aufregung ganz undeutlich. »Sie haben
mir das Münztelefon ans Bett gebracht. Jetzt hör zu...«
Dreißig Minuten später wurde er in einen Gang auf dem fünften Stock der Edinburgh University
Library geführt. Die Bibliotheksangestellte prüfte die komplizierten Dezimalzahlen, die an jedem
Regal standen, bis sie fand, was sie suchte, und ihn zu einer dunklen Reihe großer gebundener
Bände führte. Am Ende des Ganges saß ein Student an einem Schreibtisch und starrte, an einem
Bleistift kauend, desinteressiert zu Holmes. Holmes lächelte dem Studenten freundlich zu, doch
der sah regelrecht durch ihn hindurch.
»Hier ist es«, sagte die Bibliothekarin. »Edinburgh Review und New Edinburgh
Review. New heißt es, wie Sie sehen, ab 1969. Die älteren Ausgaben bewahren wir
natürlich in einem besonders gesicherten Raum auf. Wenn Sie von diesen Jahrgängen welche wollen,
dauert es ein bisschen...«
»Nein, die hier reichen. Das ist genau das, was ich brauche. Vielen Dank.«
Die Bibliothekarin nahm seinen Dank mit einer leichten Verbeugung entgegen. »Sie denken doch
daran, Nell von uns allen viele Grüße zu bestellen?«, sagte sie.
»Ich werde nachher mit ihr telefonieren. Ich vergess es nicht.«
Mit einer weiteren Verbeugung wandte sich die Bibliothekarin ab und ging ans andere Ende der
Regalreihe. Dort blieb sie stehen und drückte einen Schalter. Neonröhren leuchteten flackernd
über Holmes auf. Er lächelte ihr dankbar zu, aber sie war bereits fort. Mit raschen Schritten
bewegte sie sich auf ihren quietschenden Gummiabsätzen Richtung Lift.
Holmes betrachtete die Rücken der gebundenen Bände. Die Sammlung war nicht vollständig, was
bedeutete, dass einige Jahrgänge ausgeliehen waren. Ein unsinniger Ort, um etwas zu verstecken.
Er nahm den Band von 1971-72, hielt ihn mit dem Zeigefinger der rechten und der linken Hand am
Rücken hoch und schüttelte ihn. Es fielen keine Zettel und keine Fotos heraus. Er stellte den
Band zurück ins Regal und nahm den nächsten, schüttelte ihn und stellte ihn wieder zurück.
Der Student an dem Schreibtisch sah nicht mehr durch Holmes hindurch. Er sah ihn an, und
zwar so, als hielte er Holmes für verrückt.
Ein weiterer Band gab nichts her, dann noch einer. Holmes begann schon das Schlimmste zu
befürchten. Er hatte gehofft, etwas zu finden, womit er Rebus überraschen konnte, etwas, wodurch
sich alle offenen Fragen klären würden. Er hatte versucht, den Inspector zu erreichen, doch Rebus
war nirgends zu finden gewesen. Er war verschwunden.
Die Fotos machten mehr Krach, als er erwartet hatte, als sie zwischen den Seiten herausrutschten.
Es knallte richtig, als sie mit ihren glänzenden Kanten auf dem gebohnerten Fußboden auftrafen.
Er bückte sich und begann, sie aufzusammeln, während der Student fasziniert zusah. Das, was er
von den auf dem Boden verstreuten Bildern erkennen konnte, reichte, um Holmes' Hochstimmung einen
Dämpfer zu versetzen. Es waren Abzüge von den Boxkampffotos, nichts weiter.
Keine neuen Bilder, keine Enthüllungen, keine Überraschungen.
Verflucht sei Ronnie McGrath, weil er ihn wieder hatte hoffen lassen.
Die Fotos waren eine »schöne« Lebensversicherung. Für ein Leben, das bereits verwirkt war.
Er wartete auf den Aufzug, aber der steckte irgendwo fest. Also nahm er die Treppe, die sich
steil nach unten wand, und landete im Erdgeschoss, jedoch in einem Teil der Bibliothek, den er
noch nicht kannte. Es war ein enger Flur, in dem auf beiden Seiten alte und kaputte Bücher an den
Wänden aufgestapelt waren. Als er ihn vorsichtig passierte, spürte er eine plötzliche Kälte, die
er nicht einordnen konnte.
Dann stieß er eine Tür auf und befand sich in der großen Eingangshalle.
Die Bibliothekarin, die ihn herumgeführt hatte, saß wieder an ihrem Schreibtisch. Als sie ihn
sah, begann sie heftig zu winken. Er eilte gehorsam zu ihr. Sie nahm ein Telefon ab und drückte
einen Knopf.
»Ein Anruf für Sie«, sagte sie und streckte sich über den Schreibtisch, um ihm den

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