Dass du ewig denkst an mich
sagte sie:
»Ich bin so froh, daß Sie wieder da sind, Dr. Donnelly.«
Ich auch, dachte Justin, während er den Hörer auflegte. Er
wußte, daß Sarah sich noch nicht ganz klar darüber war, was
für ein Martyrium ihr bevorstand. Eine der
Spaltpersönlichkeiten, die in Laurie wohnten, hatte einen Mord
begangen; damit war es durchaus möglich, daß die eigentliche
Laurie Kenyon seiner Hilfe bereits entrückt war.
Brendon Moody war mit seinen Freunden in Florida fischen
gewesen und kehrte nach einer Woche am späten Mittwoch
abend nach Teaneck, New Jersey, zurück. Seine Frau Betty war
aufgeblieben und erzählte ihm von der Verhaftung Laurie
Kenyons.
Laurie Kenyon! Vor siebzehn Jahren, als die vierjährige
Laurie verschwunden war, bis zu seiner Pensionierung, war
Brendon als Kriminalbeamter im Morddezernat der
Staatsanwaltschaft, bei der Sarah arbeitete, tätig gewesen. Er
kannte Sarah sehr gut.
Er schüttelte den Kopf und schaltete die Elf-UhrNachrichten ein, die Bilder von Allan Grants Haus zeigten, wie
Grants Witwe in das Haus geführt wurde, Laurie und Sarah
beim Verlassen des Polizeireviers und schließlich Sarah mit
ihrer kurzen Erklärung vor ihrem Haus in Ridgewood.
Brendon starrte bedrückt auf den Bildschirm und hörte
aufmerksam zu. Als der Bericht vorüber war, schaltete er ab.
»Eine böse Sache«, sagte er.
Brendon war jetzt sechzig, aber von dem energischen
Draufgängertum, das ihn zum besten Ermittlungsbeamten der
Staatsanwaltschaft gemacht hatte, war nichts
verlorengegangen.
In drei Tagen wollten sie Bettys Schwester in Charleston
besuchen, und Betty wußte sehr wohl, daß sie ihm einen
Vorwand gab, die Reise abzusagen, als sie fragte: »Kannst du
da nichts machen?« Brendon war nämlich jetzt lizenzierter
Privatdetektiv und übernahm nur Fälle, die ihn persönlich
interessierten.
»Und ob ich das kann«, erklärte er grimmig. »Sarah braucht
jemanden auf dem Universitätsgelände, der Hinweise sammelt
und ihnen nachgeht. Auf den ersten Blick scheint das ein
eindeutiger Fall zu sein. Sarah Kenyon ist eine verdammt nette
Frau und eine verdammt gute Anwältin. Ich habe immer schon
prophezeit, daß die es einmal zu etwas bringt. Aber jetzt
braucht sie Hilfe. Echte Hilfe. Morgen gehe ich zu ihr und
biete mich ihr an.«
»Wenn sie dich überhaupt haben will«, wandte Betty
bedächtig ein.
»Sie wird mich haben wollen. Bets, wie wäre es, wenn du
allein nach Charleston fahren und Jane besuchen würdest?«
Betty schlüpfte aus ihrem Morgenmantel und ging zu Bett.
»Ja, ist wohl besser. Von nun an hast du ja ohnehin nur noch
diesen Fall im Kopf und wirst sogar noch davon träumen.«
49
Um Viertel vor zwölf am Donnerstag ließ die Wirkung des
Schlafmittels nach. Laurie schlug die Augen auf und sah sich
in dem vertrauten Zimmer um. Eine Vielzahl von Gedanken
huschten wirr durch ihr Bewußtsein. Irgendwo weinte ein
Kind. Zwei Frauen schrieen einander in ihrem Kopf an. Die
eine brüllte: Ich hatte eine mächtige Wut auf ihn, aber ich habe
ihn geliebt und wollte nicht, daß das passiert.
Die andere sagte: Ich habe dir doch gesagt, daß du an jenem
Abend zu Hause bleiben solltest. Dummes Luder. Jetzt schau,
was du ihr angetan hast.
Ich hab ja schließlich nicht allen gesagt, daß er tot ist! Das
dumme Luder bist du.
Laurie preßte sich die Hände über die Ohren. O Gott, war
das alles ein Traum gewesen? War Allan Grant wirklich tot?
Glaubte denn wirklich irgend jemand, daß sie ihm ein Leid
zugefügt hatte? Das Polizeirevier. Die Zelle. Diese Kameras,
die ihr Bild aufgenommen hatten. Das alles war ihr doch nicht
wirklich widerfahren, oder? Wo war Sarah? Sie stieg aus dem
Bett und lief zur Tür. »Sarah! Sarah!«
»Sie kommt gleich wieder.« Das war Sophie, ihre Stimme
klang vertraut, beruhigend, besänftigend. Jetzt kam sie die
Treppe herauf. »Wie fühlst du dich?«
Ungeheure Erleichterung durchflutete Laurie. Die Stimmen
in ihrem Kopf hörten auf zu streiten. »Oh, Sophie, bin ich froh,
daß du da bist. Wo ist Sarah?«
»Sie mußte ins Büro, ist aber in ein paar Stunden wieder
zurück. Ich habe dir Essen gemacht, Fleischbrühe und
Thunfischsalat, so wie du ihn magst.«
»Nur die Fleischbrühe, Sophie. Ich komme in zehn Minuten
runter.«
Sie ging ins Bad und drehte die Dusche auf. Gestern hatte sie
beim Duschen Bettzeug und Kleider gewaschen. Wie man nur
etwas so Seltsames tun konnte. Sie drehte am Duschkopf, bis
das heiße Wasser ihre
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