Dass du ewig denkst an mich
öffnete,
sagte sie so etwas Ähnliches wie ›Kaffee gegen ein
ofenfrisches Croissant? Ist das ein guter Tausch?‹«
»Was machte sie denn für einen Eindruck?«
»Entspannt, gut gelaunt. Wir hatten am Samstag miteinander
Golf gespielt, und die Runde war ganz knapp ausgegangen. Sie
hatte mich nur mit einem Schlag Vorsprung besiegt. Am
Sonntag morgen trug sie ein weißes Leinenkleid und sah
hinreißend aus.«
»Haben Sie sie geküßt?«
Gregg blickte zu Laurie hinüber. »Auf die Wange. Ich hatte
mir angewöhnt, auf ihre Signale zu achten. Meistens mochte
sie es, wenn ich sie küßte, aber ich war immer vorsichtig. Man
konnte sie leicht verschrecken. Wenn ich sie küßte oder den
Arm um sie legte, dann machte ich das immer ganz langsam
und achtete darauf, ob sie sich verspannte. Wenn das der Fall
war, zog ich mich gleich zurück.«
»Fanden Sie das nicht ziemlich frustrierend?« fragte Justin
schnell.
»Na klar. Aber ich glaube, ich wußte immer schon, daß in
Laurie etwas steckte, das Angst hatte, und daß ich abwarten
mußte, bis sie mir vertraute.« Gregg sah Laurie gerade an. »Ich
würde ihr nie weh tun. Und ich würde jeden umbringen, der ihr
weh tut.«
Laurie starrte ihn an, wich seinem Blick nicht mehr aus. Jetzt
ergriff sie das Wort. »Ich saß neben Gregg an der Eßtheke. Wir
tranken zwei Tassen Kaffee und teilten uns das dritte Croissant.
Wir redeten darüber, wann wir wieder eine Runde Golf spielen
könnten. Ich fühlte mich an jenem Tag so glücklich. Es war ein
so herrlicher Morgen, und alles war so frisch und sauber.« Die
Stimme stockte, als sie ›sauber‹ sagte.
Gregg stand auf. »Laurie sagte, sie müsse jetzt fahren. Sie
gab mir einen Kuß und schickte sich zum Gehen an.«
»Sie haben an dem Punkt keine Anzeichen von Angst oder
Panik bemerkt?« fragte Justin.
»Nein.«
»Laurie, ich möchte, daß Sie neben Gregg stehen, so wie an
jenem Tag. Tun Sie so, als wären Sie im Begriff, seine
Wohnung zu verlassen.«
Laurie stand zögernd auf. »So«, wisperte sie und griff nach
einem imaginären Türknopf, wobei sie Gregg den Rücken
zuwandte. »Und er…«
»Und ich war im Begriff, sie hochzuheben…«, sagte Gregg.
»Ich meine, im Spaß. Ich wollte ihr noch einen Kuß geben.«
»Zeigen Sie, wie Sie das gemacht haben«, bat Justin.
»So.« Gregg trat hinter Laurie, umfaßte sie mit beiden
Armen und setzte dazu an, sie hochzuheben.
Sie wurde am ganzen Körper steif und fing zu wimmern an.
Gregg ließ sie sofort los.
»Laurie, sagen Sie mir, warum Sie Angst haben«, fragte
Justin schnell.
Das Wimmern ging in ein halbersticktes kindliches Weinen
über, aber sie gab keine Antwort.
»Debbie, du weinst«, sagte Justin. »Sag mir, warum.«
Sie deutete nach rechts. Eine brüchige Stimme schluchzte:
»Er wird mich dorthin bringen.«
Gregg blickte erschreckt und zugleich verwirrt. »Augenblick
mal«, sagte er. »Wenn wir in meinem Apartment wären, würde
sie jetzt auf die Schlafcouch zeigen.«
»Beschreiben Sie sie«, befahl Justin.
»Ich war gerade aufgestanden, die Couch war also noch
offen und nicht gemacht.«
»Debbie, warum hattest du Angst, als du dachtest, Gregg
würde dich zum Bett tragen? Was könnte dort mit dir
geschehen? Sag es uns.«
Sie hatte die Hände vor das Gesicht geschlagen, und ihr
leises Kinderweinen hielt an. »Ich kann nicht.«
»Warum nicht, Debbie? Wir haben dich alle lieb.«
Sie blickte auf und rannte zu Sarah. »Sär-wah, ich weiß
nicht, was passiert ist«, wisperte sie. »Immer wenn wir zum
Bett gingen, bin ich davongeschwebt.«
78
Vera West zählte die Tage bis zum Semesterende. Es bereitete
ihr zunehmend Schwierigkeiten, die Fassade kühler Ruhe
aufrechtzuerhalten, die sie als absolut notwendig erkannt hatte.
Als sie jetzt mit einer zum Bersten mit Abschlußarbeiten
gefüllten Aktentasche in der angenehmen Nachmittagssonne
über den Campus ging, wünschte sie sich nichts sehnlicher, als
ihr gemietetes Häuschen zu erreichen, ehe sie in Tränen
ausbrach.
Sie liebte das kleine Häuschen, das am Ende einer Sackgasse
inmitten von Bäumen stand und einmal der großen Villa in der
Nähe als Gartenhäuschen gedient hatte. Nachdem sie mit
siebenunddreißig Jahren an der Universität Boston eine
Doktorarbeit begonnen und mit vierzig promoviert hatte, fühlte
sie sich in Boston nicht mehr wohl und hatte die Stelle am
Lehrstuhl für Anglistik in Clinton angenommen.
Sie liebte kleine Colleges wie Clinton und genoß es als
Theaterfan
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