Dass du ewig denkst an mich
letztemal bei
ihr gewesen. Er war deprimiert und unruhig gewesen. »Ich
hätte zuerst mit Laurie und ihrer Schwester sprechen sollen;
daß ich zum Dekan ging, war eine Kurzschlußhandlung. Der
Dekan meinte, ich sei diesem jungen Mädchen gegenüber zu
freundlich, und hat mich geradeheraus gefragt, ob Karen und
ich Probleme hätten, ob es irgendwelche Gründe für ihre
häufige Abwesenheit gäbe.« An jenem Abend hatte er sie an
der Tür geküßt und gesagt: »Etwas wird sich ändern. Ich mag
dich sehr gern und brauche dich.«
Irgendein Instinkt hatte sie dazu gedrängt, ihn zum Bleiben
aufzufordern. Hätte sie doch nur darauf gehört und sich nicht
um all den Klatsch geschert. Aber sie hatte ihn gehen lassen.
Kurz nach halb elf hatte sie ihn angerufen; er hatte erstaunlich
vergnügt gewirkt. Er habe mit Karen gesprochen, und jetzt
liege alles auf dem Tisch. Er würde eine Schlaftablette nehmen
und zu Bett gehen. Und dann hatte er gesagt: »Ich liebe dich.«
Das waren die letzten Worte gewesen, die sie von ihm gehört
hatte.
Zu aufgedreht, um zu Bett zu gehen, hatte sich Vera die ElfUhr-Nachrichten im Fernsehen angesehen und dann
angefangen, das Wohnzimmer aufzuräumen, die Kissen
aufzuschütteln, Zeitschriften zu ordnen. Dabei hatte sie auf
dem Lehnsessel etwas blitzen sehen - Allans Zündschlüssel. Er
mußte ihm aus der Tasche gefallen sein.
Eine unerklärliche Unruhe hatte sie erfüllt, und der Schlüssel
war der Vorwand gewesen, ihn noch einmal anzurufen. Sie
hatte seine Nummer gewählt und das Telefon endlos klingeln
lassen, aber niemand hatte sich gemeldet. Wahrscheinlich hatte
die Schlaftablette bereits ihre Wirkung getan, hatte sie sich
eingeredet.
Heute bedrückte sie ihre Einsamkeit ganz besonders, als sie
sich an Allans Gesicht erinnerte, während sie mit gesenktem
Kopf über den mit Kopfsteinen gepflasterten Weg eilte. Ihre
Arme sehnten sich nach ihm. Jetzt hatte sie die Treppe erreicht.
»Allan. Allan. Allan.«
Vera war nicht bewußt, daß sie seinen Namen laut
ausgesprochen hatte, bis sie aufblickte und dem forschenden
Blick Brendon Moodys begegnete, der auf der Terrasse auf sie
wartete.
79
Sarah saß an einem Ecktisch in der Villa Cesare in Hillsdale,
ein paar Kilometer von Ridgewood, und fragte sich, was in
aller Welt sie dazu getrieben hatte, sich von Reverend Bobby
und Carla Hawkins zu einem gemeinsamen Abendessen
überreden zu lassen.
Fünf Minuten nach Sarahs Rückkehr aus New York waren
die beiden an ihrer Haustür aufgetaucht. Sie seien nur so
herumgefahren, hatten sie gesagt, um sich mit ihrer neuen
Umgebung vertraut zu machen, und sie hätten sie auf der
Lincoln Avenue überholt.
»Sie sahen so aus, als würden Sie ein wenig Beistand
brauchen«, hatte Reverend Bobby gesagt. »Und da spürte ich,
wie der Herr mir sagte, ich solle umkehren, bei Ihnen läuten
und ›Hallo‹ sagen.«
Sarah war in der Klinik gewesen, hatte sich dort schließlich
von Gregg Bennett verabschiedet und war um sieben Uhr nach
Hause gekommen. Sie war müde und hungrig. Sophie war
nicht da, und Sarah wußte in dem Augenblick, als sie die Tür
des leeren Hauses geöffnet hatte, daß sie nicht zu Hause
bleiben wollte.
Die Villa Cesare war seit langer Zeit eines ihrer
Lieblingsrestaurants, denn die Küche war vorzüglich.
Muschelragout, Scampi, ein Glas Weißwein, Cappuccino, eine
freundliche, wohltuende Atmosphäre, das brauchte sie jetzt. Sie
war gerade im Begriff, das Haus zu verlassen, als die Hawkins
kamen. Und irgendwie hatte es sich dann ergeben, daß sie
gemeinsam in das Lokal gefahren waren.
Während Sarah vertrauten Gesichtern an anderen Tischen
zunickte, sagte sie sich: Das sind Leute, die es gut meinen, und
wenn jemand für mich beten will, habe ich ganz bestimmt
nichts dagegen. In Gedanken versunken merkte sie plötzlich,
daß Reverend Hawkins sie nach Laurie gefragt hatte.
»Es ist alles eine Frage der Zeit«, erklärte sie. »Justin - ich
meine Dr. Donnelly - zweifelt nicht im geringsten daran, daß
Laurie irgendwann einmal ihren Widerstand einstellen und
über die Nacht, in der Professor Grant gestorben ist, sprechen
wird. Aber allem Anschein nach ist jene Erinnerung mit der
Angst vor dem verknüpft, was in ihrer Vergangenheit
geschehen ist. Der Arzt meint, daß es irgendwann einmal einen
ganz spontanen Durchbruch für sie geben wird. Gott gebe, daß
es dazu kommt.«
»Amen«, sagten Bobby und Carla aus einem Munde.
Sarah merkte, daß
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