Daughter of Smoke and Bone
einzuschreiben. Aber die meisten waren stinkender, seelenloser Abschaum mit Blut unter den Fingernägeln. Sie töteten und verstümmelten. Sie trugen Zangen in den Taschen, mit denen sie die Zähne von Toten ausrissen – und manchmal auch von Lebenden. Karou verabscheute das Pack, und sie war ganz sicher, besser als diese Kreaturen zu sein.
»Beweis es mir, indem du deine Wünsche benutzt, um Gutes zu tun.«
Verärgert fragte sie: »Und wann hast du das letzte Mal etwas
Gutes
getan?« Sie deutete auf die Kette, die er in seinen riesigen Klauen hielt. Krokodilzähne, höchstwahrscheinlich von dem Somalier. Außerdem Wolfsfänge, die Backenzähne von Pferden und Hämatitperlen. »Wie viele Tiere sind heute deinetwegen gestorben? Und wie viele Menschen?«
Sie hörte, wie Issa überrascht die Luft einsog, und sie wusste, dass sie lieber still sein sollte, aber ihr Mund bewegte sich weiter. »Du machst mit Mördern Geschäfte und musst noch nicht mal die Leichen sehen, die sie zurücklassen. Stattdessen versteckst du dich hier wie ein Troll …«
»Karou«, sagte Brimstone.
»Aber ich habe sie gesehen, die Berge von toten Kreaturen mit ihren blutigen Mündern.
Mädchen
mit blutigen Mündern. Nie werde ich das vergessen. Und wozu das alles? Was machst du mit den ganzen Zähnen? Wenn du es mir sagen würdest, dann könnte ich es vielleicht verstehen. Es muss doch einen Grund dafür geben …«
»Karou«
, sagte Brimstone erneut. Er sagte nicht: »Halt den Mund.« Das musste er auch gar nicht. Seine Stimme vermittelte die Botschaft klar genug, und als hätte das allein nicht gereicht, erhob er sich plötzlich von seinem Stuhl.
Und Karou hielt den Mund.
Manchmal, vielleicht sogar meistens, vergaß sie, wer Brimstone war. Er war ihr so vertraut, dass sie ihn nicht als Bestie sah, sondern als die Kreatur, die sie aus unerfindlichen Gründen aufgezogen hatte, und das nicht ohne Zärtlichkeit. Aber es verschlug ihr immer noch die Sprache, wenn er diesen Ton anschlug. Es war wie ein Fauchen, das in das tiefste Innere ihres Bewusstseins drang und ihr sein wahres, furchteinflößendes Wesen vor Augen führte.
Brimstone war ein Monster.
So würden die Menschen ihn, Issa, Twiga und Yasri nennen, wenn sie den Laden verlassen würden: Monster. Vielleicht auch Dämonen oder Ungeheuer. Sie selbst nannten sich Chimären.
Brimstones Arme und sein massiger Oberkörper waren seine einzigen menschlichen Körperteile, und seine Haut ähnelte mehr der eines Tieres als der eines Menschen. Sein stämmiger Brustkorb war mit uraltem Narbengewebe übersät, eine Brustwarze völlig darin verschwunden, und auch Schultern und Rücken bedeckte ein Netzwerk aus verhärteten, weißen Narben. Von der Taille abwärts war er
andersartig
. Über seinen Hüften spannten sich die Muskeln eines Löwen, von blassgoldenem Fell überzogen, aber anstelle der Löwenpfoten besaß er Krallen, die entweder die eines Raubvogels oder einer Echse waren – oder, was Karou sich gern vorstellte, vielleicht auch die eines Drachen.
Sein Kopf erinnerte an einen Widder, nur dass er kein Fell hatte, sondern die gleiche robuste braune Haut wie sein Oberkörper. Um die flache Schafsnase und die Reptilienaugen herum ging die Haut in Schuppen über, und auf beiden Seiten des Gesichts wölbten sich mächtige, gewundene, gelbliche Hörner.
Um den Hals trug Brimstone eine Juwelierlupe an einer Kette, deren goldene Fassung sein einziger Schmuck war, wenn man von dem anderen Ding an seinem Hals absah, das allerdings keinerlei augenfälligen Glanz aufwies: ein alter Wunschknochen, der sich in seine Halskuhle schmiegte. Karou wusste nicht, warum er ihn trug, nur dass es ihr verboten war, ihn zu berühren, weshalb sie es natürlich stets zu gerne getan hätte. Als sie ein Baby war und Brimstone sie auf seinem Knie geschaukelt hatte, hatte sie öfters blitzschnell danach gegriffen, aber Brimstone war immer noch schneller gewesen, und so hatte Karou es nie geschafft, den Knochen auch nur mit einer Fingerspitze zu berühren.
Jetzt, wo sie erwachsen war, zeigte sie mehr Anstand, aber manchmal spürte sie immer noch die Versuchung, nach dem Knochen zu greifen. Allerdings nicht jetzt. Dass Brimstone plötzlich aufgestanden war, schüchterte sie ein und ließ ihre Aufsässigkeit verebben. Sie wich einen Schritt zurück und fragte mit kleinlauter Stimme: »Also, ähm, wie war das mit dem dringenden Auftrag? Wo soll ich hin?«
Er warf ihr eine Schachtel voller bunter Geldscheine
Weitere Kostenlose Bücher