Daughter of Smoke and Bone
Schultern und versuchte, gelassen zu wirken. »Sie ist nur ein Mädchen. Sie malt Bilder. Sie ist nett zu mir. Was soll ich dir sonst sagen?«
Er war redegewandt, und Akiva konnte sehen, dass er dachte, er könnte das Mädchen beschützen. Was nobel war, aber lächerlich. Für solche Spielchen hatte Akiva keine Zeit, also ergriff er drastischere Maßnahmen, packte Izîl am Hemdkragen und Razgut an einem seiner Flügelstummel und schwang sich mit ihnen in die Lüfte.
Mit wenigen Flügelschlägen waren sie so hoch, dass sie Marrakesch nur noch als schimmerndes Lichtermeer unter ihnen sehen konnten. Izîl hatte die Augen fest zugekniffen und schrie, doch Razgut war still, und sein Gesicht zeigte eine so unsägliche Sehnsucht, dass plötzlich Mitleid Akivas Herz durchbohrte – schmerzhafter noch als der Holzdolch, den Karou in seine Seite gerammt hatte. Ihr Angriff hatte ihn überrascht. Über die Jahre hatte er gelernt, seine Gefühle abzutöten, und er hatte so lange mit der Kälte in seinem Innern gelebt, dass er gedacht hatte, Mitleid und Erbarmen wären für immer aus seinem Herzen getilgt. Doch heute Nacht hatte er den dumpfen Schmerz beider Empfindungen gespürt.
Wie ein Raubvogel schwebte er in langsamen Kreisen abwärts und setzte die beiden auf der Kuppel des höchsten Minaretts der Stadt ab. Obwohl sie verzweifelt versuchten, einen Halt zu finden, rutschten sie bäuchlings von der glatten Oberfläche ab. Erst die niedrige Zierbrüstung hielt ihren Sturz auf und verhinderte, dass sie auf dem Dach der Moschee weit, weit unter ihnen endeten.
Izîls Gesicht war grau, sein Atem ging flach. Als Razgut sich wieder auf den Rücken des alten Mannes hievte, gerieten sie so nahe an den Abgrund, dass Izîl ihn panisch anschrie, er sollte sich gefälligst nicht rühren, sondern sich irgendwo festhalten.
Akiva stand über ihnen. Der gezackte Kamm des Atlasgebirges hinter ihm war in Mondlicht getaucht. Der Wind spielte mit den Flammenfedern seiner Flügel, brachte sie zum Tanzen, und seine Augen glühten. »Also noch mal von vorn. Wenn dir dein Leben lieb ist, dann sag mir, was du weißt. Wer ist das Mädchen?«
Mit einem ängstlichen Blick über den Rand des Daches antwortete Izîl eilig: »Sie ist nicht von Interesse für dich, sie ist unschuldig …«
»Unschuldig? Sie trägt die Hamsas und besorgt Zähne für den Teufelsmagier. Auf mich macht sie keinen unschuldigen Eindruck.«
»Du kennst sie nicht. Sie
ist
unschuldig. Sie erledigt nur Aufträge für ihn. Das ist alles.«
War das wirklich alles, war sie eine Art Dienerin? Das erklärte nicht die Hamsas. »Warum ausgerechnet sie?«
»Sie ist die Pflegetochter des Wunschhändlers, könnte man sagen. Er hat sie aufgezogen.«
Das musste Akiva erst einmal verarbeiten. »Wo ist sie hergekommen?« Er ging in die Hocke und brachte sein Gesicht ganz nah an Izîls. Er spürte, dass die Antwort auf diese Frage wichtig war.
»Ich weiß es nicht. Wirklich nicht! Eines Tages war sie einfach da, ein Baby in seinen Armen, und ab dann war sie immer da, ohne Erklärung. Glaubst du, Brimstone hat mir irgendwas gesagt? Wenn er das hätte, wäre ich vielleicht immer noch ein Mann und kein Packesel!« Er deutete auf Razgut und brach in irres Gelächter aus. »Sei vorsichtig, was du dir wünschst, hat Brimstone immer gesagt, aber ich habe nicht auf ihn gehört, und jetzt sieh mich an!« Tränen schossen ihm in die Augen, er lachte und lachte.
Doch Akiva blieb hart. Das Problem war nur, dass er dem Buckligen glaubte. Warum sollte Brimstone seine menschlichen Untergebenen in seine Geheimnisse einweihen, insbesondere einen verrückten Narren wie diesen? Doch wenn Izîl es nicht wusste, wie sollte Akiva es dann jemals herausfinden? Der alte Mann war seine einzige Spur, und er hatte sich ohnehin schon viel zu lange aufhalten lassen.
»Dann sag mir, wo ich sie finden kann«, forderte er. »Sie war freundlich zu dir. Sicher weißt du, wo sie lebt.«
Bekümmert sah der alte Mann ihn an. »Das kann ich dir nicht sagen. Aber … aber … aber ich kann dir andere Dinge verraten. Geheime Dinge. Über deine Rasse. Dank Razgut weiß ich mehr über die Seraphim als über die Chimären.«
Offensichtlich versuchte er immer noch, Karou zu beschützen. »Du glaubst, du kannst mir irgendetwas über meine Rasse sagen, was ich nicht längst weiß?«, fragte Akiva spöttisch.
»Razgut kennt Geschichten …«
»Du glaubst einem Gefallenen? Hat er dir je auch nur gesagt, warum er verbannt
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