Daughter of Smoke and Bone
Wangen, geschwungene Lippen, schmal vor Bestürzung.
Dabei hatte er alle Gefühle abgeschaltet. Es hätte gar nicht möglich sein dürfen, so etwas zu empfinden – dieses Chaos, diesen Tumult, diesen Aufruhr. Und unter alldem lauerte eine verstümmelte Empfindung, die er tief im Schatten seines Verstandes gefangen hielt, so entstellt, dass er sie selbst kaum wiedererkannte: Hoffnung. Eine sehr leise Hoffnung. Und in ihrem Zentrum stand – Karou.
Eine Flügelspanne von ihm entfernt ging sie immer noch auf und ab. Sie umkreisten die Grenzen ihrer gegenseitigen Anziehung, voller Angst, sich einander zu nähern. »Warum hast du die Portale verbrannt?«, wollte sie wissen.
Er seufzte tief. Was sollte er darauf antworten? Aus Rache? Für den Frieden? Beides war Teil der Wahrheit. Schließlich antwortete er: »Um den Krieg zu beenden.«
»Krieg?«
, wiederholte sie entsetzt. »Es herrscht Krieg?«
»Ja, Karou. Es herrscht nichts
außer
Krieg.«
Ihren Namen aus seinem Mund zu hören erstaunte sie auch dieses Mal, er konnte es an ihrem Gesicht sehen. »Sind Brimstone und die anderen … geht es ihnen gut?« Akiva erkannte die Atemlosigkeit in ihrer Stimme als Angst – Angst vor seiner Antwort.
Unter der von den Hamsas ausgelösten Erschöpfung fühlte er eine noch tiefer gehende Übelkeit – ein langsam in ihm aufsteigendes Grauen. »Sie sind in der schwarzen Festung«, sagte er.
»In der Festung?« Karous Stimme klang hoffnungsvoll. »In der Stadt mit den Gittern? Ich war dort, in der Nacht, in der du mich angegriffen hast.«
Akiva wandte den Blick ab, die Übelkeit wurde immer schlimmer. Auch das Pochen in seinem Kopf ließ sich immer schwerer ausblenden; nur einmal zuvor hatte er die Wirkung des Teufelsmals so heftig zu spüren bekommen, und er verstand immer noch nicht ganz, warum er überlebt hatte. Er konnte kaum die Augen offen halten, und sein Körper fühlte sich an wie ein Anker, der ihn unter Wasser zog.
Stimmen.
Karou wirbelte herum, und Akiva folgte ihrem Blick. Ein paar ihrer Zuschauer waren ihnen gefolgt und kamen auf sie zu.
»Komm mit«, sagte Karou.
Als hätte er eine Wahl.
Du
Karou brachte den Engel zu ihrer Wohnung und den ganzen Weg über dachte sie:
Es ist bestimmt dumm, was du hier machst, ganz bestimmt.
Aber
ich brauche Antworten
, beschwichtigte sie sich.
Und die verschaffe ich mir jetzt.
Am Aufzug angekommen, zögerte sie, unsicher, ob sie das Risiko eingehen sollte, sich mit dem Seraph in die enge Kabine zu begeben, aber er war zu geschwächt, um die vielen Treppen zu steigen, also drückte sie den Knopf. Sein Blick, als er ihr hineinfolgte, zeigte deutlich, dass er mit Aufzügen nicht vertraut war, und als sie sich mit einem Ruck in Bewegung setzten, zuckte er leicht zusammen.
In ihrer Wohnung warf sie ihren Schlüssel in das Körbchen an der Tür und sah sich um. An der Wand hingen ihre Flügel, die auf eine beunruhigende Art den seinen ähnelten. Falls ihm das auffiel, ließ er sich jedoch nichts anmerken. Da der Platz nicht reichte, um die Flügel ganz auszubreiten, standen sie ein Stück vor und bildeten eine Art Baldachin über dem Bett, das eigentlich eine Bank aus Teakholz war, auf der sie mehrere Federkernmatratzen übereinandergestapelt hatte. So schlief sie wie die Prinzessin auf der Erbse. Das Bett war ungemacht und unter einer Lawine von alten Skizzenbüchern begraben, die Karou letzte Nacht durchgeblättert hatte. Sie waren die letzte Verbindung zu ihrer verlorenen Familie.
Eins der Bücher lag offen, und die aufgeschlagene Seite zeigte ein Porträt von Brimstone. Sie sah, wie der Engel die Zähne zusammenbiss, als sein Blick darauf fiel. Schnell hob sie es auf und drückte es schützend an die Brust, während er zum Fenster ging und hinaussah.
»Wie heißt du?«, fragte Karou.
»Akiva.«
»Und woher weißt du meinen Namen?«
Eine lange Pause. »Von dem alten Mann.«
Izîl. Natürlich. Aber hatte Razgut nicht gesagt, dass Izîl in den Tod gesprungen war, um sie zu beschützen? »Wie hast du mich gefunden?«
Draußen war es dunkel, und Akivas Augen spiegelten sich orange schimmernd im Fenster. »Das war nicht schwer«, antwortete er schlicht.
Sie wollte nachfragen, was genau er damit meinte, aber in diesem Moment schloss er die Augen und lehnte die Stirn gegen das Glas. »Du kannst dich hinsetzen«, bot sie ihm an und deutete auf ihren dunkelgrünen Samtsessel. »Wenn du nichts verbrennst.«
Seine Lippen verzogen sich zu etwas, was wie der freudlose
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