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DavBen-StaderDie

Titel: DavBen-StaderDie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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Die Einzelheiten weichen doch stark voneinander ab. Aber eine interessante Parallele, zugegeben.«
    Die Schienen bogen von der Straße ab, vorbei an Wäldchen mit Birkenschösslingen, die für Brennholz noch zu dünn waren. Fünf weiße Leichen lagen mit dem Gesicht nach unten im weißen Schnee. Eine Familie von Wintertoten, die Hand des toten Vaters noch um die seiner toten Frau geklammert, die toten Kinder ein Stückchen weiter, die Glieder von sich gestreckt. Neben den Leichen lagen zwei offene abgewetzte Lederkoffer, die nichts mehr enthielten außer ein paar zersprungene Bilderrahmen.
    Man hatte die Familie ihrer Kleidung und Stiefel beraubt. Ihre Gesäßbacken waren abgehackt worden, das zarteste Fleisch, das sich am besten für Frikadellen und Würste eignete. Ich konnte nicht erkennen, ob die Familie durch Gewehrschüsse oder Messerstiche oder eine explodierende Granate ermordet worden war, ob von deutschen Kanonieren oder russischen Kannibalen. Ich wollte es gar nicht wissen. Sie waren schon lange tot, und ihre Leichen hatten begonnen, ein Teil der Landschaft zu werden.
    Kolja und ich gingen weiter entlang der Bahnlinie nach Wologda in Richtung Osten. An diesem Morgen erzählte er keine Witze mehr.
    Kurz vor Mittag erreichten wir die Leningrader Verteidigungsanlagen: Stacheldrahtverhaue, drei Meter tiefe Schützengräben, Panzersperren, Maschinengewehrnester, Flakbatterien und KV-1-Panzer unter weißen Tarnnetzen. Die Soldaten, die wir früher am Tag gesehen hatten, hatten uns keine Beachtung geschenkt, doch nun waren wir zu weit östlich, um Zivilisten zu sein, und ein zu seltsames Paar, um beim Militär zu sein. Als wir weiter den Gleisen folgten, drehte sich eine Gruppe junger Soldaten, die gerade die Plane eines dreiachsigen Lastwagens abnahmen, nach uns um und starrte uns an.
    Ihr Feldwebel kam auf uns zu, den Karabiner nicht direkt auf uns gerichtet, aber auch nicht direkt von uns weg. Er hatte die Haltung eines Berufssoldaten und die hohen Wangenknochen und schmalen Augen eines Tataren.
    »Habt ihr Papiere?«
    »Aber ja«, sagte Kolja und griff in die Innentasche seiner Jacke. »Wir haben erstklassige Papiere.«
    Er händigte den Propusk des Obersts aus und deutete mit dem Kinn auf den Lastwagen. »Ist das die neue Katjuscha?«
    Die Plane war auf den Boden geworfen worden, sodass Gestelle mit parallel angeordneten Startschienen zu sehen waren, die gen Himmel ragten und darauf warteten, mit Raketen bestückt zu werden. Nach allem, was man im Radio hörte, fürchteten die Deutschen die Katjuscha mehr als jede andere sowjetische Waffe - sie nannten sie Stalinorgel, nach dem lauten, jaulenden Geräusch ihrer Raketen.
    Der Feldwebel blickte kurz auf den Raketenwerfer und dann wieder zu Kolja.
    »Geht dich nichts an. Bei welcher Armee?«
    »Der Vierundfünfzigsten.«
    »Der Vierundfünfzigsten? Dann müsstest du eigentlich in Kirischi sein.«
    »Stimmt«, sagte Kolja, lächelte den Feldwebel geheimnisvoll an und deutete mit dem Kinn auf den Propusk in der Hand des Mannes. »Aber Befehl ist Befehl.«
    Der Feldwebel entfaltete das Schreiben und begann zu lesen. Kolja und ich verfolgten, wie die Soldaten die Raketen auf den Startschienen der Katjuscha anbrachten.
    »Gebt ihnen Zunder heut Nacht!«, brüllte Kolja. Die Soldaten auf dem Laster blickten flüchtig herüber und sagten nichts. Sie sahen aus, als hätten sie seit Tagen nicht mehr geschlafen; es forderte ihre ganze Konzentration, die Raketen zu montieren, ohne sie fallen zu lassen, und sie hatten keine Kraft, um sich mit Verrückten abzugeben.
    Da Kolja nicht gewillt war, sich ignorieren zu lassen, begann er zu singen. Er hatte eine kräftige, selbstbewusste Baritonstimme.
    »Un d es schwang ein Lied aus frohem Herzen/jubelnd, jauchzend sich empor zum Licht,/ weil der Liebste ein Brieflein geschrieben,/ das von Heimkehr und von Liebe spricht./ Oh, du kleines Lied von Glück und Freude,/ mit der Sonne Strahlen eile fort./ Bring dem Freunde geschwind die Antwort,/ von Katjuscha Gruß und Liebeswort!«
    Der Feldwebel las das Schreiben zu Ende und faltete es wieder zusammen. Die Anweisungen des Obersts hatten ihn sichtlich beeindruckt; er betrachtete Kolja nun voller Respekt und nickte mit dem Kopf im Takt des alten Liedes.
    »Das lob ich mir. Hab es im Winterkrieg die Ruslanowa persönlich singen hören. Hab ihr die Hand gereicht und von der Bühne runtergeholfen, hatte wohl einen zu viel intus, die Dame. Weißt du, was sie zu m ir gesagt hat? >Danke,

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