Dave Duncan
Ehefrau…«
Er hatte Angst, die Zurückweisung könnte als Beleidigung interpretiert werden, aber nein – zum ersten Mal schien High Ravens Groll um einen Bruchteil abzukühlen. Er entblößte gelbe Zähne in einem raubtierhaften und zustimmenden Lächeln. Darad hatte natürlich erklärt, daß es der Zweck dieser mörderischen Zeremonie war, die Männer zu dezimieren, die sich die Frauen teilten.
»Ich werde sie für Euch nehmen?«
Rap glaubte, Clover Scent würde vielleicht eine von Little Chickens Brüdern vorziehen, doch er wollte darüber nicht diskutieren. Er nickte, und das war genug. In Windeseile vollzog High Raven, als Anführer, die Zeremonie und heiratete Clover Scent selbst. Die Braut zuckte nicht mit der Wimper, also machte es ihr entweder nichts aus oder sie war sehr taktvoll. High Raven hatte einen Sohn verloren und eine Frau gewonnen. Dieser Tausch schien ihm zu gefallen.
Rap hatte den ganzen Tag nichts gegessen. Ein schnelles Steak wäre ein hübscher Gedanke.
Doch jetzt kam der Moment, vor dem er sich unbewußt gefürchtet hatte. Clover Scent war zurückgebracht worden. Er stand allein mit High Raven auf dem Ehrenplatz – und Little Chicken saß immer noch in der Mitte der Arena. Er erhob sich und trat vor, hielt den Kopf trotz seiner Nacktheit erhoben und wurde zum Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Er fiel vor Rap auf die Knie.
»Mein Leben ist wertlos«, verkündete er in einer offensichtlich rituellen Rede, »und darf nur kurz dauern. Gewähr mir einen langen Tod.« Dann blickte er unverwandt zu Rap auf.
Rap betrachtete ihn erstaunt. Er an Little Chickens Stelle wäre ein zitterndes, schauderndes, bleiches Etwas. War es ihm wirklich egal? Dann sah er die winzigen Anzeichen von Angst: die angespannten starken Nackenmuskeln, die Verkrampfung um seine Augen, ein dünner Schleier aus Schweiß, der auf seiner eingefetteten Stirn glänzte. Nur die Tapferen kennen die Furcht, sagte Sergeant Thosolin immer, denn nur sie haben sie besiegt. Rap spürte Bewunderung in sich aufsteigen. Little Chicken hatte Angst, doch er hatte seine Furcht besiegt.
»Ihr kennt unsere Gebräuche?« fragte High Raven.
Selbst, wenn er die Warnungen einer eingebildeten alten Frau außer acht ließ, hatte Rap nicht die Absicht, dem jungen Kobold etwas anzutun
– doch er konnte nicht widerstehen, ein wenig Rache zu üben für die Tage der Folter. »Little Chicken hat mir viele gute Ideen verschafft.«
High Raven schien zufrieden. Er nickte. »Wie geht Ihr vor?«
Als er sah, wie Rap zögerte, erklärte der Anführer, manchmal werde das Opfer an den Händen aufgehängt, damit die Zuschauer besser sehen könnten. Andere zogen es vor, das Opfer am Boden zu fesseln oder auf ein Gerüst zu schnallen, so daß es leichter zu behandeln war. Rap hatte die Wahl, denn es sollte seine Vorstellung werden.
Rap schürzte die Lippen, als denke er nach. Dann sprach er das Opfer an. »Was hältst du für das Beste?«
Little Chicken bemerkte sehr wohl die Ironie; er kniff kurz die Augen zusammen. »Am Boden!« antwortete er entschieden. »Dauert länger.« Jetzt widersetzte sich Raps Gewissen. Dieses Spielchen war bereits eine Tortur. »Ich wünsche nicht, so etwas zu tun.«
Vater und Sohn reagierten mit Entsetzen.
»Das ist Pflicht!« rief Little Chicken und sah ziemlich schockiert aus. »Ich sage dir, was du tun mußt! Viele Dinge, viel Schmerz!«
»Ruhe, du Abschaum!« High Raven wandte sich an Rap. »Wer soll es dann für Euch tun?« Vielleicht hoffte er, als Ersatzfolterknecht ernannt zu werden, so wie er auch Ersatzbräutigam geworden war, damit er sich an seinem Sohn dafür rächen konnte, daß er ihn und sein Haus so beschämt hatte.
Rap schwitzte, und das nicht nur wegen des Feuers hinter ihm. Er befürchtete, wenn er nicht das Richtige sagte, fände er sich selbst auf dem Boden als Gegenstand der allgemeinen Unterhaltung wieder. Viel schlimmer noch war die Erkenntnis, daß Little Chickens Schicksal unausweichlich sein könnte, so daß Rap ihn nur schnell töten und so tun könnte, als habe er als Amateur einen dummen Fehler gemacht. Könnte er so etwas tun?
»Was passiert«, fragte er, »wenn ich niemand anderen dafür bestimme?«
Little Chicken heulte auf und warf sich vor, um Raps Füße zu umklammern. »Nein!« brüllte er. »Ich zeige gute Vorstellung! Ich werde ganz langsam sterben! Lange Schmerzen! Viel Todeskampf!«
Unglaublich! Rap starrte sprachlos auf ihn hinunter. Was konnte noch schlimmer sein,
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