Dave Duncan
durchzuhalten. Das gelang ihnen viel länger als Rap, aber dann sackte Cheep-Cheep ohne Vorwarnung zusammen. Fledgling Down wurde in Kleidung gehüllt und wieder in die Hütte gebracht. Die Zuschauer folgten ihm, und zwei von ihnen zerrten den bewußtlosen Cheep-Cheep mit sich.
Dann kehrte Little Chicken zurück. Er trug einen sehr kleinen Rucksack, in dem ein kleiner Beutel mit Bärenfett steckte. Außerdem enthielt er Utensilien zum Feuermachen, einige Messer, ein wenig Nahrung, und viel Schnur, die zum Fallenstellen oder Fischen gedacht sein mochte. Irgendwo hatte er auch zwei kurze Bögen und zwei Pfeilköcher gefunden. Rap war ein jämmerlicher Bogenschütze, aber er beschloß, seine Ausrüstung als Ersatz für Little Chicken zu tragen.
»Iß!« Der Kobold drückte Rap einige harte Waffeln in die Hand. Sie schmeckten wie Heu mit Honig, aber er war halbverhungert und kaute sie gierig, während er neben der Feuerstelle kauerte.
Auch Little Chicken hatte an jenem Tag nichts gegessen; er saß neben der Tür und schmatzte laut und fand die Nähe zum Feuer offenbar zu warm. Außerdem sprach er die ganze Zeit mit vollem Mund. »Mond aufgegangen. Gehen zum Porcupine-Totem. Jetzt keine Eile. Cheep-Cheep macht gute Vorstellung. Wenn Fledgling Down, dann nicht so lange.«
»Woher weißt du das?« wand sich Rap. Seine Sehergabe sagte ihm, daß Fledgling Down bereits auf der Plattform saß und mit seinem neuen Namen, wie immer er lauten mochte, gepriesen wurde. Er hatte sich viel schneller erholt als Rap.
»Gutes Blut!« erklärte Little Chicken. Cheep-Cheeps Bruder Sweet Nestling hatte zwei Winter zuvor gegen Raven Claw verloren und sich gut geschlagen, die beste Vorstellung seit vielen Jahren. »Zuerst Zehennägel ausgezogen«, sagte er. »Nicht geschrieen. Sagte >Danke<. Dann Zehen flachgehämmert, einer nach dem anderen, mit Steinen. Sagte >Danke<. Viel Applaus. Dann –«
Rap war der Appetit vergangen. »Ich will das nicht hören!« protestierte er lautstark.
Einen Augenblick leuchtete der alte Spott in Little Chickens Augen auf.
»Dann spitzer Stock aus dem Feuer…« Wenn Rap es verabscheute, derart barbarische Dinge zu hören, selbst wenn sie ihn nicht selbst betrafen, dann bestand hier die Möglichkeit, es ihm heimzuzahlen. Also fuhr Little Chicken fort, Sweet Nestlings Todeskampf haarklein zu erzählen. Er sprach voller Bewunderung und klang ehrlich bedauernd, daß es ihm nicht gestattet worden war, eine noch bessere Vorstellung zu liefern, und er beobachtete Raps angewiderte Reaktion mit bitterer Freude.
Als sie gegessen hatten, wußte Rap, daß Cheep-Cheep bereits in der Mitte der Hütte hing und auf seine lange Folter wartete. Er mußte schnell außer Sichtweite kommen.
»Gehen wir«, sagte er und fragte sich, ob er erfrieren würde, bevor Cheep-Cheep starb. »Wie viele Pferde nehmen wir?«
Little Chicken runzelte die Stirn. »Keine Pferde. Laufen.«
»Den ganzen Weg laufen? Keine Pferde?«
»Pferde?« zischte Little Chicken. »Pferde für Babies und alte Frauen. Männer laufen.«
Bevor Rap widersprechen konnte, flog eine Handvoll Bärenfett in sein Gesicht. Little Chicken verteilte es sorgfältig auf Raps Lippen und Augenlidern und sogar in seinen Nasenflügeln. Dann richtete er Raps Kapuze und zog eine Maske herunter, von deren Existenz Rap nichts bemerkt hatte, und bedeckte sein Gesicht vollständig, von seinen Augen und Nasenlöchern abgesehen. Dann machte er dasselbe bei sich und hielt auf die Tür zu; ein Gespräch war jetzt so gut wie unmöglich.
Er meinte es offenbar ernst – sie würden zu den Bergen laufen. Sobald seine Mokassins den Schnee berührten, fiel er in einen leichten Trab. Rap tat es ihm gleich, obwohl er nicht wirklich glaubte, diesen Kraftakt durchstehen zu können. Den ganzen Weg? Die Kälte würde ihre Lungen in wenigen Minuten gefrieren lassen.
Sie trabten durch den Torbogen und überquerten die Lichtung.
Zwei Männer gegen die Ödnis? Zwei Jungen… Rap fühlte sich schrecklich verletzlich, viel mehr als damals, als er mit Andor Krasnegar verließ. Vielleicht lag es daran, daß sie keine Pferde hatten, vielleicht daran, daß er jetzt mehr wußte. Nur sie beide, Herr und Sklave? Er hatte Andor völlig vertraut. Wie könnte er jemals Little Chicken vertrauen, der genausogut die Absicht haben könnte, Rap irgendwo einzusperren und dann seine guten Ideen in die Praxis umzusetzen?
Ein weiterer Begleiter könnte eine gute Vorsichtsmaßnahme sein, beschloß Rap.
Köter,
Weitere Kostenlose Bücher