Dave Duncan
brauchte er keine Massage. Er sah noch genauso frisch aus wie Stunden zuvor, als sie losgegangen waren. Nachdem er sich einen Teller mit Essen geschnappt hatte, der neben dem Feuer stand, schlich er zur Tür. Raps Sehergabe sagte ihm, daß er zum Gebäude der Jungen hinüberging–
Erst da wurde Rap klar, warum er zu Anfang vorgeschickt worden war und warum seine Haut um die Augen herum schmerzte – was ihm bislang nicht aufgefallen war. Und erst nachdem er schnell ein paar Bissen gegessen und seinen Gastgebern gedankt hatte und sich in einen fettigen, stinkenden Pelz zum Schlafen einrollte, fragte er sich, was Inos wohl zu alldem sagen würde.
Er glaubte, gerade erst die Augen geschlossen zu haben, als Little Chikken ihn an der Schulter rüttelte und ihn erneut massierte, um die im Schlaf verspannten Muskeln zu lockern. Dann befahl er Rap streng, sofort hinaus zu den Gruben zu gehen. Zwei der Frauen beeilten sich, für die Gäste Essen zu bereiten, während Rap wieder von seinem Betreuer angezogen wurde. Little Chicken nahm seine Pflichten offensichtlich sehr ernst, sei es, unterhaltsam zu sterben oder einem Herrn zu dienen. Er erlaubte Rap nichts zu tun, was er für ihn erledigen konnte, nicht einmal, sich die Schuhe zu binden; für sich selbst nahm er keine Hilfe an. In seinen eigenen Augen war er Abschaum, weder Junge noch Mann, lediglich ein Besitz, der versuchen sollte, sich nützlich zu machen und diesen zerbrechlichen Nichtkobold zu verwöhnen.
Ohne ein weiteres Wort führte er sie gen Süden. Hätten sich nicht die ersten Strahlen des neuen Tages gezeigt, hätte Rap nicht geglaubt, daß sein Aufenthalt in Porcupine-Totem länger als ein paar Minuten gedauert hatte.
Die folgenden Tage verliefen ähnlich. Jeden Morgen erhielt Little Chikken Anweisungen. Bei Mondaufgang brachte er seinen Besitzer sicher zu einem anderen Dorf. Mit den Masken war es unmöglich, sich zu unterhalten, und am Ende der Reise war Rap zu erschöpft dazu. Auf jeden Fall weigerte sich sein Gefährte, im Haus der Erwachsenen zu bleiben, wenn er Rap massiert und für seine Behaglichkeit gesorgt hatte.
Rap sprach ein wenig mit seinen Gastgebern, aber er hatte ihnen wenig zu sagen, und ihre Neuigkeiten waren für ihn bedeutungslos. Seine Fragen über Darad riefen nur wütendes Schweigen hervor – allein dadurch, daß er fragte, brach er die Regeln, die Gäste einzuhalten hatten. Niemals wurde ihm die Gastfreundschaft oder Höflichkeit verwehrt, doch der Empfang war stets widerwillig, zum Teil, weil er kein echter Kobold war, hauptsächlich aber wegen Little Chicken. Abschaum zu besitzen war ein Verbrechen. Rap war schuldig, weil er seinem besiegten Gegner nicht den Tod gewährt hatte, den dieser verdiente und wünschte.
Allmählich verbesserte sich Raps Kondition mit Hilfe der abendlichen Mahlzeiten, die riesiger waren, als er je zuvor erlebt hatte, und die oft aus frischem Fleisch bestanden, für ihn ein großer Luxus. Langsam erhöhte Little Chicken seine Geschwindigkeit, aber nur ganz vorsichtig, denn die Dörfer waren einen Tagesmarsch voneinander entfernt, so daß eine größere Geschwindigkeit keinerlei Vorteile gebracht hätte.
Die Tage wurden merklich länger, als die Sonne langsam in die Nordländer zurückkehrte und die Männer sich gen Süden vorarbeiteten.
Ungefähr am sechsten Morgen, als sie gerade ihre Masken aufsetzen und losgehen wollten, hielt Little Chicken inne und betrachte Rap mit einem Funkeln im Auge.
»Salmon-Totem«, sagte er. »Dann Eagles, dann Elk. Drei Tage?«
»Richtig.«
»Oder im Schnee schlafen, dann Elk. Zwei Tage?«
Jegliche Herausforderung durch Little Chicken war ihm unerträglich. »Dann laß uns das tun.«
Die Augen des Kobolds wurden groß. »Und schneller gehen?« »So schnell du willst!«
»Stadtjunge!« Little Chicken lachte und drückte verächtlich eine Handvoll Fett in Raps Gesicht.
Einige Stunden später, als ihm klar wurde, welche Strapazen das schnelle Tempo mit sich brachte, fragte sich Rap, warum sein Gefährte keine Lebensmittel mitgenommen hatte, wenn es am Ende dieser Tagesreise keine Hütte gab.
Die Antwort lautete offensichtlich, daß ein guter Kobold auch anders überleben konnte. Sie machten Halt, als Little Chicken entschied, das Licht sei zu schwach, um weiterzugehen – er wußte nicht, daß Rap im Dunkeln sehen konnte. Er machte ein Feuer, und dann noch zwei weitere. Drei kleine Feuer seien besser als ein großes, sagte er, und dann schrie er wütend los, als
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