Dave Duncan
bevor es überhaupt zu hören war. »Der Hund!« Kalter Stahl berührte wieder ihren Nacken.
Rap gehorchte, und die Tür klappte zu. Sie spürte, wie der Riese sich leicht entspannte. »Jetzt laßt das Schwert fallen!«
Ihr Kopf war so schrecklich verdreht, daß Inos nur Tante Kades entsetztes Gesicht sehen konnte, verzerrt vor Angst. Was tat Rap? »Fallenlassen!« brüllte der Riese.
Sie hörte einen Plumps, der von einem fallenden Schwert herrühren konnte! Was taten die Männer alle? Doch sie mußten hoffnungslos erstarrt sein. Wieder fühlte sie die kalte Berührung von Stahl an der Wölbung ihres Halses.
»Jetzt sorgt dafür, daß Euer Freund seinen Dolch fallenläßt!« Es gab eine Pause, und sie nahm an, daß Rap auch diesem Befehl gehorchte. Sie hörte den Kobold reden, dann schwieg er.
»Schon viel besser!« sagte der Riese. Seine Sprechweise war mangelhaft, und vermutlich war er nicht besonders intelligent, doch er konnte sich schneller bewegen als alle Menschen, die sie je gesehen hatte. Das Blut von seinem Arm durchweichte ihr Wams – sie konnte es spüren wie heiße Suppe. »Weg von der Tür, alle!«
»Ihr könnt nicht entkommen!« Das war Foronod.
»Kann ich nicht? Dann stirbt das Mädchen.«
»Nein, könnt Ihr nicht!« Wieder Rap. »Ruft Sagorn. Er kann besser denken, nicht wahr?«
Aber die Männer mußten die Tür freigegeben haben, denn Darad begann, den Raum zu durchqueren, wobei er Inos halb zog, halb trug und sein Schwert gegen die Männer gerichtet hielt.
Sie sah Tante Kade und Mutter Unonini, Seite an Seite, die Augen vor Entsetzen geweitet, den Mund offen. Darad ging direkt an ihnen vorbei und nahm ohne Zweifel an, diese Frauen seien harmlos.
Doch Kade hielt immer noch den Brenner der Teemaschine in der Hand, und sobald Inos sicher hinter dem Körper des Riesen stand, nahm sie den Deckel ab, tat zwei schnelle Schritte vorwärts und schleuderte das brennende Öl über seinen Rücken.
4
Darads gequälter Schrei brachte beinahe Inos Trommelfell zum Platzen. Sie wurde zur Seite geschleudert, fiel der Länge nach auf den Teppich und hörte, wie das Schwert auf die Bodenbretter knallte. Sie sah, wie Rap und der Kobold beide vorwärts sprangen, wobei Rap einen Stuhl ergriff und ihn mit beiden Händen auf Darads Kopf zertrümmerte. Selbst da schien Darad sich selbst zu Boden zu werfen, anstatt einfach hinzufallen. Er rollte sich auf den Rücken, um die Flammen zu löschen, als Little Chicken mit beiden Füßen auf ihm landete. Darad klappte sich zusammen wie ein Klappmesser, schüttelte den Kobold ab und versuchte gerade aufzustehen, als Rap weitere Teile von Tante Kades Möbeln auf seinem Kopf zertrümmerte. Schließlich griff Rap nach einem weiteren Stuhl, doch das war nicht mehr nötig.
Kade und die Kaplanin eilten Inos zur Hilfe. Little Chicken sprang auf seine Füße, machte einen Satz durch den Raum, griff nach Andors abgelegtem Umhang und riß ihn in Streifen, während er zu dem hingestreckten Jotunn zueilte. Mit erstaunlicher Geschwindigkeit, als hätten sie das bereits geübt, fesselten er und Rap ihn an Händen und Füßen, und ganz plötzlich war die Gefahr vorbei.
Inos ließ sich von Mutter Unonini zum Sofa führen, dann aber schob sie die Kaplanin von sich, denn sie wollte im Augenblick niemanden in ihrer Nähe haben, weil sie zitterte – und Königinnen durften nicht zittern.
Sie setzte sich, faltete ihre Hände im Schoß und versuchte sich darauf zu konzentrieren, königlich auszusehen. Sie war besudelt von kaltem Tee und Darads Blut, was ihr dabei natürlich nicht gerade half.
Die älteren Männer standen um Kade herum und gratulierten ihr zu ihrer Geistesgegenwart. Kade strahlte vor Stolz. Nicht einer dieser Männer hatte irgend etwas Nützliches getan, außer einen schwelenden Teppich auszutreten. Der Erfolg gebührte allein Kade, Rap und Little Chicken.
Das Ungeheuer lag sicher gefesselt auf dem Boden und roch nach verbrannten Haaren. Sein Rücken mußte ihm sehr weh tun, sein Arm und sein Kopf bluteten immer noch, aber er war ruhig und starrte nur wütend den Kobold an, der mit gekreuzten Beinen auf seinem Brustkorb saß, ihn triumphierend angrinste und vor dem Gesicht des Riesen mit seinem Dolch spielerisch kleine Muster in die Luft schnitt.
Rap stand wachsam dabei, das Schwert des Prokonsuls in der Hand. Er war beunruhig und schien ebenso den Kobold zu bewachen wie den Jotunn.
Was würde jetzt geschehen? Inos könnte sicher nicht noch mehr in dieser Nacht
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