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Dave Duncan

Dave Duncan

Titel: Dave Duncan Kostenlos Bücher Online Lesen
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Er schlug leicht mit den Zügeln, um mehr Geschwindigkeit zu bekommen, und leckte sich die salzigen Lippen. Er hatte es geschafft!
    Seine Hände zitterten leicht, und sein Hals fühlte sich trocken an. Er machte einen Buckel, um seinen Rücken zu entspannen, und setzte sich wieder hin.
    »Tut mir leid, Lin«, bemerkte er, »was hast du gesagt?«
Lins Augen waren groß wie Austern. »Wie hast du das gemacht?«
    Wenn er so darüber nachdachte, wie hatte er es gemacht? Rap war plötzlich ganz unsicher. Es war beinahe so gewesen, als habe er die Straße unter dem Wasser erkennen können. Er hatte gewußt, wo sie war, beinahe wie sie aussah. Er hatte sie nicht gesehen, doch er hatte das Gefühl gehabt, er wüßte, wie sie aussehen würde, wenn er sie sehen könnte… oder als könne er sich erinnern, wie sie ausgesehen hatte, als er sie einmal sehen konnte. Was nie der Fall gewesen war; niemand hatte sie je gesehen.
    Genau wie zuvor, als er gewußt hatte, daß hinter der siebten Biegung ein anderer Wagen kam?
    Er sagte nichts, sondern zuckte nur die Achseln.
»Noch etwas, was wir jungen Burschen lernen müssen, nehme ich an?« Rap grinste ihn an. »Probier es doch aus!«
Lin gab einige sehr spezielle Zoten von sich. Wo hatte er die gelernt? »Lin? Lin, bitte mach keine große Sache daraus?«
Lin starrte ihn nur an.
»Lin! Du bringst mich in Schwierigkeiten!«
    »Ich schätze, mich hast du nicht in Schwierigkeiten gebracht?« schrie Lin. Er mußte mehr Angst gehabt haben, als Rap vermutet hatte. »Es war gar nicht so schlimm, Lin. Ich stand ja. Ich konnte sehen, wo das Wasser über die Kanten floß.«
    »Oh… natürlich!«
Doch widerwillig versprach Lin, keine große Sache daraus zu machen.
    Sie verließen das Wasser und folgten dem unruhigen Pfad über Tallow Rocks, wobei die Räder silberne Tropfen in die Luft sprühten. Die letzte Senke war tief, aber nur schmal. Der Wagen könnte dort aufschwimmen, doch das war egal, denn es gab keine Strömung, und die Straße erhob sich nicht über dem Kiesstrand hinaus. Er hatte es geschafft!
    Der König hatte ihm befohlen, Krasnegar vor der Flut zu verlassen. Die Götter mögen den König schützen.
»Du rasierst dich jetzt?« fragte Lin plötzlich.
    »Natürlich.« Rap hatte sich am Abend zuvor zum vierten Mal rasiert und dabei zum ersten Mal auch sein Kinn einbezogen. Er würde bald eine eigene Klinge brauchen. Lin hatte einen leichten, dunklen Schimmer über seiner Oberlippe. Und er hatte immer noch einen sehr eigenartigen Blick. »Warum?«
    Lin zuckte die Achseln und wandte sich ab, doch nach einer Weile antwortete er. »Eine witzige Sache, erwachsen werden. Oder?«
    Ja, das war es, stimmte Rap zu und konzentrierte sich auf das nächste Wasserhindernis. Aber als sie es sicher hinter sich gelassen hatten, entspannte er sich und begann, sich zu freuen, das Gefühl zu genießen, daß er jetzt zu den Fahrern gehörte – falls der alte Mann ihm nach dem verrückten Kunststück, das er gerade hingelegt hatte, jemals wieder vertrauen würde.
    »Ja«, sagte er. »In einem Moment fühlt man sich ganz männlich, und im nächsten benimmt man sich wieder wie ein Kind. Es ist, als bestehe man aus zwei Personen.« Der Körper eines Jungen machte einfach diese eigenartigen Veränderungen durch, ohne um Erlaubnis zu fragen… mit welchem Recht ließ sein Gesicht einfach Haare wachsen, ohne ihn zu fragen?
    Als bestehe man aus zwei Personen… und man kannte nur eine der beiden. Erwachsen werden bedeutete, sich selbst fremd zu werden, wenn man gerade glaubte zu wissen, wer man war. Und es gehörte zum Erwachsenwerden dazu sich zu fragen, was für ein Mensch man werden würde. Wie groß? Wie kräftig? Vertrauenswürdig? Ein starker Mann oder ein Schwächling? Und was würde man mit diesem Mann anfangen? Rittmeister? Soldat?
»Mädchen!« murmelte Lin in sich hinein.
    Mädchen.
Inos.
    Jetzt rollten sie am Rand des Kiesstrandes entlang, vorbei an der einsamen Ansammlung von Strandhäuschen mit ihren Fisch-und Netzrahmen, einem heruntergekommenen Pferch und einigen Heuhaufen, die wie Pilze aus dem Boden zu schießen begannen. Stöße von Treibholz lagen herum, das von alten Frauen gesammelt worden war, und Haufen von Torfmoos. Feuer aus Seetang schickten blauen Rauch gen Himmel. Dort standen Mädchen und winkten. Die Männer winkten zurück. Auch das lange gebogene Gras schien zu winken.
    »Wir könnten dort etwas essen«, sagte Lin nachdenklich.
»Später.«
    Jenseits des strahlend blauen Hafens

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