Dave Duncan
winzige Hand, die ihm hingehalten wurde und beugte sich zu diesem Zweck leicht vor. »Ich verspreche es«, wiederholte er.
»Ich auch.« Für einen Augenblick lüftete sich ein Schleier über dem kleinen Gnom – ein kleiner, häßlicher, schmutziger alter Mann, mit enormer okkulter Macht begabt, jedoch nur ein einfacher Mann, der in seinem Job das Beste gab, nach der Tradition seines Volkes lebte, sich um seine Kinder kümmerte und seine Frau innig liebte. Es war nicht seine Schuld, daß seine Rasse verdorbenes Fleisch fraß. Doch bald war der sonderbare Augenblick vorüber, und er war wieder ein Zauberer, auch wenn sein Kopf kaum höher als bis zu Raps Ellbogen reichte.
Er untersuchte seine eigene Hand, die Rap gerade losgelassen hatte. »Das macht zwei«, bemerkte er leise. »Ihr und Athal’rian.«
»Zwei?«
»Die mich berührt haben.« Er sah mit einem geheimnisvollen Leuchten in seinen schwarzen Knopfaugen auf. »Nur wenige Tagesmenschen schütteln einem Gnom die Hand, Rap. Noch weniger glauben, ein Versprechen, das einem Gnom gegeben wurde, müßte eingehalten werden. Aber Ihr… Ich denke, Ihr seid ein Mann, der sein Wort hält.«
The splendour falls:
The splendour falls on castle walls,
And snowy summits old in story…
O sweet and far from cliff and scar
The horns of Elfland faintly blowing!
Tennyson, The Princess
(Der Glanz, erfüllt:
Der Glanz, erfüllt auf Festungsmauern,
Und Gipfel, schneebedeckt und alt…
So süß und fern von Schlucht und Kliff
Der Elfenländer Hörner tönen!)
Acht
Zurück aufs Meer
1
»Speck und Eier haben so etwas Ästhetisches«, sagte Kade. »Vielleicht, weil die Formen und Farben sich vermischen? Oder liegt es daran, daß ich meine Kindheit damit assoziiere? Oder die Wintermorgen in Kinvale?« Sie tupfte sich die Lippen mit ihrer Serviette ab und seufzte wie jemand, der nichts mehr essen konnte.
Kade war in Ekstase. Sie hatte in einem Bett mit echten Leinenlaken geschlafen. Man hatte ihr heißes Wasser zum Waschen gebracht und für später ein heißes Bad versprochen. Ein junges Mädchen, vermutlich eine von Elkaraths unzähligen Enkelinnen oder Urenkelinnen, hatte ihr die Haare shampooniert und danach recht fachmännisch aufgedreht. Die matronenhafte Nimosha, eine seiner Töchter oder Enkelinnen, hatte ein Kleid hervorgezaubert, das beinahe Kades Größe hatte und beinahe der gegenwärtigen Mode entsprach, und gefragt, ob Kade damit zufrieden wäre, bis Kade selbst sich bessere Kleider von den Kaufleuten besorgen konnte, und natürlich könne das sofort nach dem Frühstück erledigt werden. Dann hatte Kade Speck und Eier gegessen, und zwar mit silbernem Besteck anstatt mit den Fingern.
Die beiden Damen hatten ihr gemächliches Frühstück im persönlichen Speisezimmer des Scheichs eingenommen. Es war spät genug, daß alle fieberhaft irgendwo beschäftigt waren.
Wie alle anderen Zimmer, die sie bislang gesehen hatten, war der Raum winzig; nur sechs Stühle standen um einen Tisch gedrängt, und der Rest des Raumes wurde von einem grotesk sperrigen Sideboard eingenommen. Die Möbel waren alt und ziemlich häßlich; da sie Eigentum eines Kaufmannes waren, wenn auch eines wohlhabenden Kaufmannes, fehlte ihnen die herzogliche Üppigkeit von Kinvale. Aber es waren imperiale Möbel. Speck und Eier waren imperiale Speisen, und Kades viel zu langes Kleid war ein imperiales Kleidungsstück. Das Fenster war geschlossen, aber die Stimmen, die von der Straße herein schallten, waren imperiale Stimmen. Und sie würde imperiale Schneider herbeiholen.
Kade schwebte auf rosa Wolken.
Inos hatte Ringe unter den Augen und fühlte sich schlapp, weil sie zu wenig Schlaf bekommen hatte. Wie ein Schwarm aufgeschreckter Möwen schossen ihr Ideen für eine Flucht durch den Kopf, doch keine davon schien ihr passend. Als sie merkte, daß sie eine schlechte Gesellschafterin war, schob sie ihr Ränkeschmieden beiseite und versuchte, sich auf taktvolle Weise mit der Frage Speck und Eier zu beschäftigen – denn der wirkliche Grund, warum Kade Speck und Eier mochte, hatte nichts mit Ästhetik zu tun, sondern lediglich damit, daß sie alles liebte, was in Fett schwamm.
In diesem Moment wurde erstens kräftig an die Tür geklopft und zweitens die Tür für einen jungen Mann aufgerissen, der sich bereits zu einer tiefen Verbeugung verneigt hatte. Er richtete sich auf, ordnete ganz leicht eine schneeweiße Spitzenmanschette und ließ ein blendendes Lächeln aufblitzen. »Meine
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