Dave Duncan
warum der alte Gnom ihn den beiden anderen vorzog.
»Ich bin geprägt«, sagte Ishist. »Versteht Ihr das? Ein Geweihter. Früher oder später werden die meisten Zauberer von ihrem Wächter in die Falle gelockt – deswegen versuchen so viele, lieber selbst zum Wächter zu werden. Sobald ein Hexenmeister in seinem Sektor Magie bemerkt, wird er versuchen, sie aufzuspüren und den Urheber mit einem Loyalitätsbann zu belegen. Viel mehr tut er womöglich gar nicht… das hängt davon ab, wie viele Worte und Geweihte er bereits hat und welche Bedürfnisse. Ich bin Drachenwächter für Hexenmeister Lith’rian und sehr glücklich mit meiner Arbeit. Vielleicht hat ein Bann bewirkt, daß es mir Spaß macht. Ich weiß es nicht, aber ich habe den Eindruck, die Arbeit ist es wert, und das Quartier ist ideal für Gnome.« Er grinste boshaft.
Auch Rap lächelte und dachte an die Helden aus alten Zeiten, die dieses riesige Bollwerk gebaut hatten und wie entsetzt sie wären, wenn sie es jetzt sehen könnten.
Die bodenlosen schwarzen Augen fixierten ihn. »Und ich bin glücklich verheiratet.«
War dieses Glück ebenfalls durch einen Bann verursacht? »Das sehe ich, Ishist.« Rap sprach so nüchtern er konnte. »Und Athal’rian scheint ebenfalls sehr glücklich zu sein. Ich bin sicher, Ihr liebt einander und seid stolz auf Eure Familie. Ich hätte sie nicht gerne als Kinder, und ich würde hier nicht gerne leben, aber mein Geschmack ist ein anderer – nicht besser, nur anders«, fügte er unbehaglich hinzu. Wer war er, ein solches Urteil zu fällen?
Der Gnom lachte leise und warf einen kurzen Blick auf Sagorn und Gathmor. »Ja, meine Frau ist glücklich. Vermißt manchmal ihre Familie. Ihr Vater ist seit fünf oder mehr Jahren nicht hier gewesen, doch vor einigen Monaten tauchte er eines Tages in aller Eile hier auf. Brauchte ein Feuerküken. Warum, ist nicht meine Sache, er ist der Boß. Er brachte es am nächsten Tag zurück. Es ist der einzige Babydrachen, der in den letzten Jahren hiergeblieben ist. Es war Lily, die ihr kennengelernt habt.«
Er wartete und gab Rap Zeit zum Nachdenken. Das Feuerküken konnte kaum ein Geschenk oder eine Bestechung gewesen sein, wenn es am nächsten Tag zurückgegeben worden war.
Was Bright Water Zinixo auch erzählt hatte, sie mußte mit Lith’rian verbündet sein.
»Was genau macht ein Feuerküken mit Magie?« Ishist lächelte böse. »In der Nähe von Drachen, ob jung oder alt, ist Magie nicht mehr auszumachen. Ihr seid nur ein Geweihter, also hätte Primrose Euch gestern zu Asche verbrennen sollen, doch Ihr habt sie beinahe verrückt gemacht. Das arme Ding hat nur dummes Zeug geschwätzt, als es zurückkam! Andererseits gibt es den okkulten Zaun um das Neck schon seit Tausenden von Jahren, alle großen Zauberer der Geschichte haben daran gearbeitet, und doch scheinen die Würmer ihn einfach aufzufressen. Manchmal werfen sie ihren Bann ab und fliegen über das Wasser. Ich weiß nicht, warum Bright Water ein Feuerküken haben wollte, oder warum Lith’rian ihr eines geliehen hat – aber ich nehme doch an, daß sie ihre Gründe hatten.« Seine Knopfaugen funkelten.
Bright Water lebte schon seit Jahrhunderten und mußte alle Tricks kennen, die es gab. Zinixo war im Geschäft des Hexenmeisters natürlich neu und… Rap sah, daß seine Tagträumerei den Gnom dazu brachte, zustimmend zu lächeln. Sie lagen auf der selben Linie.
»Warum könnt Ihr meine Zukunft nicht sehen?« »Das weiß ich auch nicht.« Zum ersten Mal schien der Gnom zu zögern. Er wandte sich zu den beiden Jotnar, die ohne ein Wort zu sagen herumwirbelten und davongingen. Als sie das nächstgelegene Fenster erreichten, blieben sie stehen und starrten hinaus in die unirdische Landschaft, Weiser und Seemann gemütlich plaudernd Seite an Seite, während der Wind ihr Haar zerzauste und an ihren Gewändern zerrte. Ishists melancholische Augen hefteten sich wieder auf Rap.
»Erzählt mir von diesem Gott, der Inosolan erschienen ist.«
Rap runzelte die Stirn. Das hatte er beinahe vergessen. Er konnte sich erinnern, daß er mit Inos auf dem Boden gesessen und ihre Hand gehalten hatte, inmitten der alten Bande und den vielen Hunden, und daß er Jalon beim Singen zugehört hatte. Rückblickend war das der letzte Abend seiner Kindheit gewesen.
Aber das war später gewesen, nachdem sie ihm von ihrem Zusammentreffen mit dem Gott erzählt hatte. »Ich weiß nur, was Inos mir gesagt hat. Er hat nicht gesagt, welcher Gott er war. Er
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