Dave Duncan
folgen und stolzierte die Stufen hinunter. Rap trat zu Seite und beobachtete die vorbeidefilierenden Würdenträger, die hinter dem wankenden Geistlichen den Gang hinuntergingen. Prinzen aus der ersten Reihen strömten hinterher. Nur der sanft lächelnde Kar blieb auf dem Podium sowie Azak und die drei Frauen.
»Azak, mein…« Inos hielt inne und versuchte es anders. »Mylord, dieser Mann ist ein sehr…«
Azak warf ihr einen ungläubigen Blick zu und wandte sich ab. »Wartet«, sagte Rasha. Ihre Stimme war leise, doch über dem Schlurfen der Füße deutlich zu hören. »Vielleicht ist er nicht ganz aus eigenem Antrieb gekommen, Eure Majestät. Ich habe ein Spur von Zwang erfühlt.«
»Es ist mir egal, ob er weiß, was er tut…«
»Halt! Ich glaube, es gibt noch eine Nachricht, mein Liebster.«
Mein Liebster? Wie konnte sie es wagen! Wie konnte sie es wagen, den Thron zu beanspruchen, dem Sultan Befehle zu erteilen, sich selbst als Tyrannin einzusetzen und besonders so mit Azak zu sprechen!
Azak runzelte die Stirn. »Lith’rian?«
Rasha nickte und beobachtete Rap, der bei dem Wort »Zwang« zusammengezuckt war und jetzt unbehaglich von einem Gesicht zum anderen blickte, als habe er soeben erkannt, daß er sich in Gefahr befand. Hatte er wirklich erwartet, daß Azak ihn nach allem, was geschehen war, am Leben lassen würde?
Die Sonne war in diesen tropischen Breiten schnell untergegangen. Menschen, Gesichter, Stühle, sogar die Große Halle selbst, verschwanden im Schatten. Dennoch gab es keinen Zweifel, daß Rasha sich über irgend etwas freute – gar frohlockte. Händereibend kam sie die Stufen zu Rap hinunter, der einen Schritt zurücktrat und schließlich stehenblieb, um sie besorgt anzustarren.
Die Sorge wurde zu Entsetzen. »Nein!«
»Doch«, sagte Rasha. Sie lachte leise. »Ich glaube, Hexenmeister Lith’rian hat auch mir eine Nachricht geschickt. Oder ein Geschenk!« »Dies ist weder der richtige Zeitpunkt noch der richtige Ort!« Azak klang, als führe er seine Armee durch eine Kavallerieausbildung.
»Es ist der einzige Zeitpunkt und Ort, mein Liebster.« Rasha sah sich nicht um. »Ich habe einmal gehört, daß dieser Faun über ein Wort der Macht verfügt. Offensichtlich war das eine Untertreibung, oder er hat seitdem noch weitere Worte erfahren. Er ist mindestens ein Magier, und möglicherweise ein Zauberer.«
»Nur ein Geweihter«, murmelte Rap. Er war jetzt sehr beunruhigt, und das Weiße seiner Augen funkelte wie Monde zwischen den dunklen Flecken seiner Tätowierungen.
»Natürlich behauptet Ihr das.« Die Zauberin schwebte näher heran, und ihr dunkelgrünes Kleid wirkte in der Dämmerung schwarz. »Aber wir haben Euch beobachtet. Ein Geweihter, der sich sämtliche Palastwachen vom Hals hält? Wohl kaum! Ich war eine Geweihte, ich weiß, was möglich ist!«
Die Halle war jetzt halb leer, die gewöhnlichen Leute folgten den Prinzen hinaus. Die unscharfen Silhouetten der Familienväter in ihren braunen Uniformen schlüpften durch eine Seitentür herein und stellten sich in Reih und Glied auf. »Worauf wollt Ihr hinaus?« verlangte Azak scharf zu wissen.
»Unser Bündnis, Liebling, erinnert Ihr Euch? Unser Pakt gegen Olybino.«
Inos stockte der Atem.
Es war wie der Finger, der in einer Tür eingeklemmt wird – glühender Schmerz, aber auch wie ein ohrenbetäubendes Aufheulen der Ungerechtigkeit, eine innere Stimme schrie, daß die Götter niemals derartige Dinge zulassen dürften. War es das, was Azak in Wirklichkeit von der Zauberin gewollt hatte? War es das, wofür er sie in der ganzen letzten Woche betrogen hatte? Welchen Sold hatte er für seine Dienste angenommen – Freiheit von dem Fluch, damit er Inos heiraten konnte, ja, aber auch ein okkultes Bündnis für den bevorstehenden Krieg mit dem Impire? Plötzlich sah sich Inos als Teil eines Paketes, etwas, das von einem Kaufmann dazugegeben wurde, damit etwas anderes sich verkaufte. Eine hübsche Verpackung mit unappetitlichem Inhalt. Azak, was habt Ihr versprochen? Was habt Ihr in Wirklichkeit geplant?
Verraten!
Rap behauptete immer noch, nur ein Geweihter zu sein.
»Zauberer ist vielleicht nicht sehr wahrscheinlich«, gestand Rasha ein. »Selbst die Großzügigkeit von Hexenmeistern hat ihre Grenzen. Aber für einen einfachen Geweihten seid Ihr gewiß zu stark. Ein Magier, würde ich sagen.«
»Er soll Elkarath ersetzen?« fragte Azak und trat von dem Podium herunter zu ihr. Unmerklich hatte Rap sich zurückgezogen,
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