Dave Duncan
einem Stück Brot herum. Der Himmel glühte rot und golden, und der Nebel hob sich Stück für Stück vom Meer. Andere Boote wurden sichtbar. Stimmen und Poltern drangen von ihnen herüber, und ein Baby begann in einem der näher gelegenen Boote zu weinen. Schließlich war Andor bereit weiterzusprechen.
»Meine Gefährten haben mir geholfen. Thinal hat uns über die Mauer gebracht. Ich habe mit einigen Zeugen geredet. Beinahe alle waren zu erschüttert oder betrunken, um viel sagen zu können, und Darad hat sich um die gekümmert, die nüchtern waren. War nicht gefährlich, jetzt, wo die Zauberin verschwunden ist.«
»Also ist die Dame glücklich verheiratet, und der Faun hat seine Reise umsonst gemacht?«
»Verheiratet. Aber nicht glücklich, würde ich vermuten. Thinal ist in die königlichen Gemächer eingebrochen…«
»Nein!«
»Er dreht durch, wenn Juwelen in seiner Nähe sind, und in dem Palast gibt es sie sackweise, genug ihn anzuziehen wie ein totes Pferd eine Schmeißfliege.« Andor griff lässig in eine Tasche und zog eine Handvoll funkelnder Gegenstände heraus, die wertvoller sein mußten als alles, was Gathmor in seinem Leben gesehen hatte.
»Hier, Ihr könnt sie haben. Die waren nur zum Aufwärmen, in den Hufen hinausgeschmuggelt. Er hat das Fenster des Sultans ausgemacht und war schon fast auf dem Balkon, als der Sultan persönlich hinaustrat.« Andor grinste wieder. »Zumindest war er sehr groß und mit Juwelen behängt; weiß nicht, wer es sonst hätte sein können dort oben. Und er lief auf und ab. Er marschierte eine Stunde auf und ab, und Thinal hing derweil an einer Weinrebe direkt über ihm.« Der Imp lachte. »Der kleine Gauner hatte in fünfzig Jahren nicht so viel Angst! Er hat sich dreimal in die Hose gemacht und wartete darauf, daß der Djinn den Geruch bemerkte.«
Gathmor brach in schallendes Gelächter aus, doch dann runzelte er die Stirn. »Wieso läuft ein Mann in seiner Hochzeitsnacht auf und ab?« »Das ist sicher nicht das, was er in seiner Hochzeitsnacht tun sollte! Und noch interessanter waren die Geräusche von drinnen.«
»Welche Geräusche?« »Weinen.«
Gathmor knurrte erneut. Niemals würde ein Jotunn seine Braut zu einem solchen Zeitpunkt weinen lassen. Man mußte sie beschäftigen, das war das Geheimnis. »Und wo ist der Faun?«
»Im Gefängnis. Doch er lebt noch. Erstaunlicherweise.« »Woher wißt Ihr das?«
Andor zog seine Nase kraus und kaute eine Minute, als habe er keine Lust weiterzureden. Der Nebel hatte sich völlig verzogen. Die Sonne brannte als goldenes Feuer auf das Meer zwischen den Landzungen und ließ den großartigen Palast hell gegen den entfernten Hintergrund rötlicher Berge und eines immer noch dunklen Himmels aufleuchten, als scheine ein Licht in seinem Inneren.
»Die Hunde. Die Pferde. Erinnert Ihr Euch, daß er uns von den Schlägen erzählt hat, die er in Noom bezogen hat? Daß er sagte, er könne Schmerzen unterdrücken?« »Solange er wach ist.«
»Richtig. Nun, die ganze Nacht waren die Hunde und Pferde wie vom Bösen besessen, im ganzen Palast. Nicht die ganze Zeit, aber in regelmäßigen Abständen. Das letzte Stück wollt Ihr nicht, oder?«
»Nein, nehmt es ruhig.« Gathmor war immer noch hungrig und hatte mit dem letzten Brötchen geliebäugelt. Er fragte sich, warum er so plötzlich, in seinem Alter, einen Anfall von Höflichkeit erlitt.
»Stallburschen und Hundepfleger sind verrückt geworden. Alle. Sie geben der Zauberin die Schuld, oder Dämonen, die sie herbeigerufen hat, oder die um sie trauern… Aber ich glaube, das ist Raps Werk.«
»Warum sollte er so etwas tun?« Die Sonne schien bereits warm.
»Ich glaube nicht, daß er es absichtlich macht, aber jedesmal, wenn er die Kontrolle über die Schmerzen verliert, macht er das Vieh wild. Versteht Ihr?«
Gathmor spürte, wie das Entsetzen nach ihm griff. »Welche Schmerzen?«
Eine Zeitlang antwortete Andor nicht und vermied es, dem Seemann in die Augen zu sehen. Das Boot schaukelte auf einer sanften Dünung und trieb allmählich immer weiter vom Ufer ab, als der Wind der Fischer erwachte. Der Hafen wurde lebendig. Überall in der prächtigen Bucht wurden Segel gehißt.
»Er ist in einem zarkianischen Gefängnis«, sagte er endlich. »Belassen wir es dabei, hm?«
»Nein. Sprecht.«
»Das Rad.«
»Was zum Teufel ist das Rad?«
»Nun, ich schließe, daß sie kein echtes Rad nehmen, sondern einfach den Boden. Sie haben ihn mit Ketten festgebunden. Dann haben
Weitere Kostenlose Bücher